Julia Extra Band 358
sich ein Lachen zu verkneifen. Zwar lieferten sie sich immer noch Wortgefechte, aber ihr Tonfall war nicht mehr so scharf. Außerdem konnte Daniel jetzt besser unterscheiden, ob sie ihn nur aufzog oder verspottete. Manchmal fragte Jo sich allerdings, wie lange es anhalten würde.
„Du bist dran“, forderte sie ihn nun auf. Nachdem er einen Moment nachgedacht hatte, seufzte sie. „Dir fällt kein Wort ein, das keine Beleidigung ist, stimmt’s?“
„Nach den letzten Tagen fallen mir einige Wörter ein, die nicht beleidigend sind.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Komm näher, dann flüstere ich sie dir ins Ohr.“
„Muss ich dich erst daran erinnern, warum wir in der Öffentlichkeit sind?“ Jo machte eine ermutigende Geste. „Arbeite hier mit mir.“
Wenn nur die ständigen Erinnerungen daran, warum sie besser miteinander zu kommunizieren versuchten, alle verbleibenden Zweifel ausgelöscht hätten, dann hätten sie zu Hause gegessen – und das vermutlich vom nackten Körper des anderen. Aber seit ihrem Gespräch im Treppenhaus hatte Jo die innere Stimme ignoriert, die ihr immer noch mitteilte, dass Daniel und sie einen großen Fehler machten. Wenn er nicht bei ihr war, meldete diese sich lauter zu Wort. Dann lag sie im Dunkeln da, hörte ihn auf der anderen Seite der Wand und konnte beim nächsten Wiedersehen mit ihm nur daran denken, ihn aufzuheitern.
„Furchtlos.“
Verwirrt blinzelte sie. „Wie bitte?“
„Ich sollte dich mit einem Wort beschreiben.“ Nachdem Daniel ihre Bestellung entgegengenommen und zum Dank genickt hatte, wandte er sich zur Tür.
„So siehst du mich also?“
„Ja, warum nicht?“
Damit lag er völlig falsch. „Es ist ein Kompliment.“
„Unterschätzt du mich schon wieder?“ Er hielt ihr die Tür auf, und als sie an ihm vorbeiging, fügte er etwas leiser hinzu: „Frech zu sein ist nicht das Einzige, worin ich gut bin.“
Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken, als sie daran dachte, wie einzigartig Daniel darin war, frech zu sein.
„Niemand ist furchtlos“, verkündete sie. „Jeder hat vor irgendetwas Angst. Und wenn man diese Angst überwindet, ist man tapfer.“
„Und wovor hast du Angst?“, hakte Daniel nach, während sie nebeneinander hergingen.
„Oh nein, darauf falle ich nicht rein“, meinte Jo lachend. „Wenn ich ‚vor Spinnen‘ sage, legst du dir eine ganze Sammlung zu.“
„Ja, vielleicht eine Vogelspinne“, erwiderte er und lächelte, als sie schauderte. „Aber wenn ich zwei Wörter zur Verfügung hätte, würde ich furchtlos und misstrauisch sagen.“
„Ist das nicht ein Widerspruch in sich?“
„Außerdem perfekt gestylt und den Schalk im Nacken .“
„Vorsichtig, Danny.“ Sie lächelte ebenfalls. „Es klingt so, als hättest du dir vorher Gedanken darüber gemacht.“
„Außerdem Wirbelwind auf High Heels …“
„Jetzt schießt du übers Ziel hinaus“, sagte sie, obwohl ihr die Attribute gefielen.
„Du bist wieder dran. Und gib dir bitte mehr Mühe. Vielleicht bin ich schneller gekränkt, als du glaubst.“
Als sie an einer Kreuzung stehen blieben, überlegte Jo und blickte dabei an sich hinunter. Das Motto des Tages war Vintage, und das schwarz-weiß gestreifte Kleid im Stil der fünfziger Jahre unterstrich ihre Persönlichkeit besser als all die bisherigen Outfits. Sie schwang die Hüften, sodass es ihre Beine umspielte.
„Ich habe mich gerade gefragt, ob dir bewusst ist, dass du das ständig tust“, bemerkte Daniel, woraufhin sie die Schultern zuckte.
„In so einem Kleid muss man einfach gute Laune haben.“ Obwohl sie das amüsierte Funkeln in seinen Augen sah, fügte sie hinzu: „Wenn man sich keine Zeit für die schönen Dinge im Leben nimmt, sind die weniger schönen möglicherweise schwerer zu ertragen.“
„Willst du damit sagen, dass ich nicht weiß, wie man Spaß hat?“
Sie hatte viele Erinnerungen an seine drei Brüder, wie diese herumgetobt waren und Fußball gespielt hatten, aber weniger an Daniel. Deshalb fragte sie sich, was er in seiner Freizeit machte, wenn er nicht gerade joggte oder seine Verführungskünste bei ihr einsetzte.
„Erklär mir mal, was du unter Spaß verstehst“, bat sie ihn, als sie neben ihm den Washington Square Park betrat und zu dem Bogen aufblickte, der dem Triumphbogen in Paris nachempfunden war.
Wenn er sie fragte, würde sie ihm erzählen, dass es zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörte, hier in der Nähe Mittag zu essen, vor allem an einem so
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