Julia Extra Band 358
einmal versucht hatte, spielte er mit dem Gedanken, es trotzdem zu tun, aber dann hätte sie sicher irgendetwas gemerkt.
Daniel atmete tief durch. „Ich kann es dir nicht versprechen.“ Sanft massierte er sie weiter. „Nachdem wir uns jahrelang gestritten haben, war mir klar, dass es nicht einfach sein würde, besser miteinander zu kommunizieren. Aber wenn es bedeutet, dass man ab und zu offen sein muss, dann …“
Jo zog die Augenbrauen hoch. „Du weißt, dass ich dich daran erinnern werde, wenn du dran bist, ja?“
Sofort hielt er inne. Sie ahnte nicht, dass er nicht die Absicht hatte, mit ihr über seine Albträume zu sprechen. Auf keinen Fall sollte es das beeinträchtigen, was zwischen ihnen wuchs. Langsam ließ er die Hand sinken.
„Das hätte ich nicht sagen sollen“, fuhr sie zerknirscht fort. „Ich hätte auf meine innere Stimme hören sollen, die mir gesagt hat …“
„Dass das, was zwischen uns ist, ein großer Fehler ist?“
„Was zwischen uns ist, hat nichts damit zu tun“, wandte sie ein.
„Du willst dein altes Leben also strikt von deinem neuen trennen, stimmt’s?“
„Nach Möglichkeit ja. Und bisher ist es mir auch ganz gut gelungen …“
„Bis ich auf der Bildfläche aufgetaucht bin.“
Nun wurden ihre Züge weicher. „Richtig.“
Wieder umfasste Daniel ihren Nacken, um sie zu massieren. „Fang mit etwas Einfachem an. Erzähl mir, wie du Stu kennengelernt hast.“
Das laute Lachen am anderen Ende des Raumes veranlasste sie, den Kopf zu wenden, während sie überlegte.
„Ich war damals vierzehn“, begann sie schließlich. „Ich dachte, wenn ich ihn schon nicht vom Trinken abhalten kann, mache ich es ihm zumindest schwerer. Ich bin in alle Bars in der näheren Umgebung gegangen und habe mit den Inhabern vereinbart, dass sie ihn nicht mehr anschreiben lassen und ich seine Schulden dafür in Raten abzahle. Die weniger netten habe ich zuerst bezahlt, und bei den netten – Männern wie Stu – konnte ich mir mehr Zeit lassen.“ Sie atmete tief durch. „Mit zwei Teilzeitjobs habe ich es nach einigen Jahren geschafft. Und in der Zeit habe ich sogar einige Freunde gewonnen …“
Und sich dabei den Respekt dieser Männer verdient, wie er vermutete. Schade, dass er sie damals noch nicht gekannt hatte! Aber während die vierzehnjährige Jo sich im Großstadtdschungel behauptet hatte, war er als Zwanzigjähriger schon im Auslandseinsatz bei den Marines gewesen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was sie von ihm gehalten hätte, wenn sie ihm begegnet wäre, bevor er sich mit achtzehn verpflichtet hatte. Damals war er ein Taugenichts gewesen und hätte sicher mehr Achtung vor ihr gehabt als vor sich selbst.
„Und hat er dann weniger getrunken?“, hakte Daniel nach.
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er hat nur seinen Aktionsradius verlagert. Von da an ist er dann regelmäßig verschwunden.“
Wieder hielt er mitten in der Bewegung inne. „Er ist der Grund dafür, dass du obdachlos warst, als Liv dich kennengelernt hat.“
Jo zuckte die Schultern, als würde es keine Rolle spielen. „Ich konnte die Miete nicht mehr bezahlen. Er ist verschwunden, als wir sowieso schon Probleme mit unserem Vermieter hatten. Als ich wusste, dass der mich bald vor die Tür setzt, habe ich mir einen trockenen Platz in der Nähe der Schule gesucht, eingepackt, was ich tragen konnte, und bin gegangen. Den Rest kennst du.“
Zorn flammte in ihm auf. „Warum hast du niemanden um Hilfe gebeten? Es gibt doch viele Einrichtungen, an die …“
Ihre Augen funkelten warnend. „Ich war achtzehn und konnte gut auf mich selbst aufpassen. Ich hatte nur noch ein paar Wochen, bis ich mit der Highschool fertig war.“
Während Daniel weitermassierte, ließ er den Blick zu ihrem Vater schweifen. Was für ein Mensch tat seiner Tochter so etwas an? Und warum kümmerte Jo sich immer noch um ihn?
„Wo war deine Mutter?“, fragte er.
Sofort verspannte sie sich merklich. „Sie ist gestorben, als ich acht war.“
„Was ist passiert?“
„Sie ist auf dem Rückweg vom Einkaufen bei einem Unfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommen.“
Ihm fiel ein, dass sie gesagt hatte, ihr Vater würde einen Monat im Jahr besonders viel trinken. „Ihr Todestag ist in diesem Monat, stimmt’s?“
„Ja.“ Als Jo sich nach vorn beugte, um ihren Becher in die Hand zu nehmen, schüttelte sie seine Hand ab, indem sie die Schultern hob. „Und damit wäre das Thema beendet.“
Wieder blickte Daniel zu ihrem
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