Julia Extra Band 359
seitlich hatte ein Streichquartett Stellung bezogen. Als die ersten Akkorde den Raum erfüllten, schloss Noelle die Augen. Sie sträubte sich nicht gegen die schmerzliche Sehnsucht, die sie erfüllte, und die sie wohl nie verlieren würde.
„Möchtest du tanzen?“
Als sie die Augen öffnete und Ethan ansah, spürte sie seinen heißen, intensiven Blick. Sie räusperte sich. „Du kannst tanzen?“
„Meine Mutter bestand darauf, dass ich es lerne. Außerdem hat es mir damals geholfen, mich bei den Frauen beliebt zu machen, als mein Bankkonto noch nicht so hoch war. Also musste ich mich auf meinen Charme verlassen.“
Ihr Blick schweifte zurück zur Bühne. Früher war sie diejenige gewesen, die dort oben saß. Ein Teil der Gesellschaft, und doch allein.
Als er seine Hand ausstreckte, fragte sie: „Für die Presse?“
Seine Lippen kräuselten sich. „Ja, natürlich.“
Noelle akzeptierte seine dargebotene Hand. Als er sie zur Tanzfläche führte, schlug ihr Herz schneller. Sie hatte noch nie mit einem Mann getanzt. Sie hatte überhaupt noch nie getanzt, selbst nicht bei den Partys, die man für sie gegeben hatte, wenn wieder eine ihrer CDs herausgekommen war. Vielmehr hatte sie auch dort gespielt, statt der Ehrengast zu sein.
„Ich kann eigentlich gar nicht tanzen“, meinte sie, als sie am Rand der Tanzfläche stehen blieben und er sie sanft in seine Arme zog.
„Aber ich. Und du kannst mir die Führung überlassen.“ Er verschränkte seine Finger mit ihren und legte die andere Hand auf ihre Hüfte. „Leg deine Hand auf meine Schulter.“ Seine Stimme klang sanft und verführerisch.
Sie gehorchte und fühlte seine Muskeln, weil ihre Oberkörper aneinandergepresst waren. Sie war sich sicher, dass er spürte, wie ihr Herz raste.
Ihr Blick schweifte zur Bühne, als Ethan anfing zu tanzen. Durchflutet von der Musik und seinen Bewegungen, schienen ihre Füße wie selbstverständlich Ethans Körper zu folgen.
„Und warum kannst du nicht tanzen?“
„Keine Zeit“, kam es kurz und atemlos. Nicht deshalb, weil es anstrengend war zu tanzen, sondern weil sie einem Mann so nahe war. Diesem Mann.
„Ach stimmt. Du musstest ja üben.“
„Man kann nicht in allem herausragend sein. Nur in einer Sache, wenn man daran arbeitet. Und wenn man es unbedingt will.“ Es schockierte sie ein wenig, dass die Worte ihres früheren Klavierlehrers ihr so leicht über die Lippen kamen, obwohl seither schon so viel Zeit vergangen war.
„Dem kann ich nicht zustimmen.“ Entschlossen presste er seine Hand gegen ihren Rücken, was ihr ein Prickeln entlockte. Ein seltsames Gefühl – und doch ganz und gar nicht unwillkommen.
„Es ist mir egal, ob du dem zustimmst, weil es die Wahrheit ist. Um eine Sache wirklich zu beherrschen, muss man sich ihr ganz verpflichten.“
„Hm, darin bin ich nicht so gut.“
Ihr Puls ging noch schneller. Als er seine Finger an ihrem Rücken leicht bewegte, schossen heiße Flammen der Erregung durch ihren Körper.
„Bist du sicher? Schließlich hast du mich gebeten, dich zu heiraten, obwohl wir uns erst vierundzwanzig Stunden kannten.“
„Eine Verpflichtung auf Zeit ist gut und schön. Auf alles andere könnte ich mich aber nicht einlassen, weil ich weiß, dass ich etwas Dauerhaftes nicht einhalten will.“
„Dann muss dein Können auf einem anderen Gebiet als auf dem der Beziehungen liegen.“
Er schmunzelte. „Wenn es ums geschäftliche Parkett geht, bin ich ziemlich gut, im Gegensatz zum Schlafzimmer. Das sage ich allerdings nur, weil du darauf beharrst, dass ein Mensch nur in einem gut sein kann.“
Noelle spürte, dass ihr Gesicht heiß wurde und das Blut in ihren Schläfen pulsierte. Sie konnte nicht verstehen, wie er so lässig über diese Dinge reden konnte, als würde es nichts bedeuten.
„Und was ist mit dir?“
„Ich bin am besten am Flügel“, meinte sie mit gezwungenem Lächeln.
„Das habe ich mitbekommen. Ich weiß, was du da machst.“
„Du machst dich über mich lustig“, hielt sie ihm entgegen. Doch es war nicht böse von ihm gemeint. Er hänselte sie nur, was dem Gespräch eine seltsame Vertrautheit gab.
„Ein bisschen.“
Als er sein Gesicht abwandte, konnte sie nicht umhin, sein schönes Profil mit der geraden Nase und der ausgeprägten Kinnpartie zu bewundern. Er war fast zu schön, um wahr zu sein. Als hätte ein Bildhauer ihn aus Stein erschaffen und ihm Leben und Wärme eingehaucht. Und dieses Funkeln in seine Augen gezaubert, das von Sünde
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