Julia Extra Band 359
getan, was russische Männer in seiner Position in einer solchen Situation eben tun.
Andere kauften vielleicht Blumen. Darüber hätte sie sich mehr gefreut. Letztendlich schmälerte dieser Fauxpas Sergej Marinovs Ausstrahlung aber nicht. Sie wusste inzwischen so einiges über ihn. Im Grunde seines Herzen war er liebevoll und warmherzig. Sonst hätte sie nicht mit ihm geschlafen.
Er war alles, was sich eine Frau nur wünschen konnte, aufmerksam, leidenschaftlich und romantisch. Nur hat er leider keinen blassen Schimmer, wie man sich am Morgen danach benimmt.
Kurz entschlossen steckte sie die Schmuckkassette in die Nachttischschublade. Aus den Augen, aus dem Sinn, dachte sie befriedigt, schwang die Beine aus dem Bett und marschierte ins Bad.
Sergej bekam Clementine den ganzen Morgen über nicht aus dem Kopf. Selbst nicht während eines langwierigen Meetings, in dem es um die Verzögerungen beim Bau des Stadions ging. Auch bei einem Fototermin mit dem Bürgermeister musste er unablässig an sie denken.
Ein paarmal griff er nach dem Handy, um sie anzurufen, legte es aber immer wieder weg. Wenn er sich dazu hinreißen ließe, hieße das, die Arbeit mit seinem Privatleben zu vermischen. Das hatte er bisher sorgfältig vermieden, und er würde auch nicht ausgerechnet jetzt damit anfangen.
„Sergej? Ich habe den Eindruck, du bist nicht ganz bei der Sache.“
Mick, der Trainer des Boxstudios, unterbrach seine Gedanken, er lag genau richtig. Sergej zwang sich in die Gegenwart zurück und blickte auf die Kostenaufstellung, die ihm Alex Kardowsky, der die „Marinov Corporation“ leitete, in die Hand drückte. Mick bewies zwar oft durchaus das richtige Gespür, aber letztendlich zählte nur, was man schwarz auf weiß sah. Zahlen logen nie – im Gegensatz zu Menschen.
„Kommst du heute Abend und schaust dir den Neuen an?“
Heute Abend? Dann muss ich das Dinner mit Clementine verschieben. „Ich bin um sieben dort“, stimmte er zu. Vorher fahre ich schnell beim Hotel vorbei. Vielleicht reicht es für ein kurzes Schäferstündchen, überlegte er.
„Ich möchte gern die Bilanz mit dir durchgehen, Sergej. Wir könnten was essen und dann zusammen zu Mick fahren“, schlug Alex vor.
„Ich muss noch was erledigen und nehme die Unterlagen mit.“
Alex lächelte breit. „Eine Frau also! Du kamst mir den ganzen Tag schon besonders beschwingt vor.“
Normalerweise hätte er keine Sekunde gezögert, Alex alles zu erzählen, denn er war sein bester und ältester Freund. Sie hatten sogar den Wehrdienst gemeinsam abgeleistet. Außer Mick war er der einzige Mensch, dem er bedingungslos vertraute, aber er dachte an den vertrauensvollen Ausdruck in Clementines Augen und zögerte.
„Wir müssen uns unbedingt eine Taktik wegen Kolcek überlegen“, beharrte Mick. „Eine Pressekonferenz reicht nicht. Du musst persönlich die Gemüter beruhigen.“
„Seit wann hätte ich denn Vorbildfunktion, wenn es um einen tugendhaften Lebensstil geht?“
„In unserem Geschäft ist Publicity alles. Das muss ich dir doch nicht erst sagen. Selbstverständlich bist du nicht der Schwarm aller Schwiegermütter. Genau deshalb solltest du dich zur Abwechslung mal mit einer Frau in der Öffentlichkeit zeigen, die anders ist als die Damen, mit denen du dich sonst so umgibst. Irgendein nettes Mädchen eben.“
„Mein Privatleben geht niemanden etwas an, Mick!“
„Leider kann man es kaum noch als privat bezeichnen. Lautete die letzte Schlagzeile zu diesem Thema nicht: ‚Mein Leben mit dem Boxpromoter Sergej Marinov. Höhen und Tiefen eines Playboys‘? Ich glaube das war der Titel des Zeitungsartikels über deine letzte Geliebte.“ Mick zog das Magazin, das den Artikel enthielt, aus seiner Anzugtasche und warf es auf den Schreibtisch.
Sergej ignorierte es. „Ich habe nur zwei Mal mit dieser Dame geschlafen. Offensichtlich ein Mal zu viel.“
„Ich bringe das Heft meiner Frau mit. Sie wird sich köstlich amüsieren.“ Alex steckte die Zeitschrift ein.
Erst nachdem die beiden gegangen waren, erlaubte sich Sergej, Clementine auf ihrem Handy anzurufen.
„Sergej?“
Sie meldete sich mit diesem leicht atemlos klingenden Ton, der ihn so anrührte. Beinahe hätte er sich erkundigt, was sie den Tag über gemacht hatte, stoppte sich jedoch rechtzeitig, denn das würde sie nur in ihren romantischen Fantasien ermutigen. Ihm fiel der Schmutzartikel in der Boulevardpresse ein. Clementine würde sich nie zu so etwas hergeben, sie war nicht
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