Julia Extra Band 361
wäre wahrscheinlich nach hinten gefallen, hätten starke Hände sie nicht festgehalten.
„Caro?“ Es war Jake.
„Ja, ich bin es“, antwortete sie.
„Der Strom ist ausgefallen“, erklärte er.
„Liegt es am Sturm?“
„Ich wünschte, es wäre nur eine durchgebrannte Sicherung, aber es liegt wohl tatsächlich am Sturm. Wir sollten besser zu den anderen gehen.“
„Nein!“, stieß Caro hervor. Dann fügte sie etwas sanfter hinzu: „Ich wollte gerade ins Bett gehen.“
„Geht es Ihnen nicht gut?“ Er hielt sie noch fester.
„Doch, doch. Ich bin nur müde.“
„Es ist noch nicht einmal acht Uhr.“
„Ja, aber ich bin seit dem Morgengrauen auf den Beinen und hatte einen ereignisreichen Tag“, erklärte Caro hastig.
„Ereignisreich.“ Er lachte kurz. „Das kann man wohl sagen. Ich bringe Sie nach oben.“
„Nein, machen Sie sich keine Umstände. Ich finde den Weg schon allein.“ Sie legte so viel Selbstvertrauen in ihre Stimme, wie sie nur aufbringen konnte.
Am oberen Ende der Treppe ging ein Licht an, tanzte über ihre Köpfen hinweg und leuchtete ihnen dann ins Gesicht.
„Ich habe zwei Taschenlampen und ein paar Kerzen im Wäscheschrank neben meinem Zimmer gefunden.“ Es war Dean.
„Sehr gut! Ich nehme eine Taschenlampe. Caro möchte ins Bett gehen. Ich leuchte ihr den Weg, damit sie sich nicht an einer Wand stößt“, sagte Jake.
„Sehr aufmerksam.“ Dean konnte sich ein wenig Spott nicht verkneifen. „Wieso habe ich nur den Eindruck, dass du das für mich niemals tun würdest?“
„Damit hast du wohl recht. Ich glaube sogar, dass es dir guttun würde, wenn du dir den Kopf einmal richtig stoßen würdest“, antwortete Jake lachend. „Vielleicht hilft das deinem Denkvermögen.“
Dean lachte ebenfalls. Er schien seinem Bruder die hämische Bemerkung nicht übel zu nehmen. „Hier ist die Taschenlampe.“
„Sag den anderen bitte, dass ich in fünf Minuten wieder da bin.“
„Okay.“ Dean klang wieder ernst, als er fragte: „Meinst du, die alte Heizung hält durch?“
„Selbst wenn sie ausfallen sollte, haben wir noch genug Feuerholz für den Kamin. Kein Grund zur Sorge“, beruhigte Jake.
Jakes Worte beruhigten Caro, er klang so zuversichtlich. Er war ein Mann, der auch meinte, was er sagte. Es würde eine Lösung geben. Sie musste sich keine Sorgen machen. Doch als sie bei seinem Zimmer angekommen waren, verließ sie der Mut wieder. Wenn der Schneesturm und der Stromausfall anhielten, stand für sie viel zu viel auf dem Spiel.
„Halten Sie bitte einmal.“ Er gab ihr die Taschenlampe und ging zum Kamin.
Das Feuer war bis auf ein glühendes Holzscheit heruntergebrannt. Jake legte ein paar Scheite nach, dann stocherte er mit dem Schürhaken im Feuer und blies es an. Es dauerte wenige Sekunden, und das Feuer brannte wieder. Jake stand auf.
„Mir ist es sehr unangenehm, dass ich einen Kamin und eines der wenigen funktionierenden Badezimmer in Beschlag nehme“, sagte Caro, als Jake neben ihr stand.
„Es ist ja nur für eine Nacht, Caro. Vielleicht zwei, das hängt natürlich vom Wetter und Ihrem Auto ab.“
„Hoffentlich hört dieser Sturm bald auf“, seufzte sie.
Er nickte, dann sah er sie prüfend an. „Sie haben geweint.“
Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um die Tränen wegzuwischen. „Das sind wohl die Nachwirkungen des Unfalls“, sagte sie gedehnt. „Wie ich schon sagte – es war ein ereignisreicher Tag.“
Sie hatte gehofft, dass er sich mit dieser Antwort begnügen würde. Doch das tat er nicht. Stattdessen fragte er sanft: „Stecken Sie in irgendwelchen Schwierigkeiten?“
„Schwierigkeiten?“
„Sie wirken so … verzweifelt.“
Caro fühlte sich bis auf den Grund ihres Herzens durchschaut. Oh ja! Sie war verzweifelt. Aber sie hatte es eigentlich verbergen wollen. Jake war ein Fremder. Hatte er ihr nicht allzu deutlich gemacht, dass ihn ihre Sorgen nicht interessierten? Selbst als er ihr Unterschlupf vor dem Sturm angeboten hatte, hatte er so getan, als sei dies eine lästige Pflicht. Habe ich mich in ihm getäuscht? fragte sich Caro.
„Ich habe …“
„Einen wichtigen Termin“, ergänzte Jake den Satz ungeduldig. „Das weiß ich schon.“
„Ich habe einen Sohn.“
Diese Neuigkeit traf ihn völlig unvorbereitet.
„Einen Sohn?“
„Er ist erst drei, und morgen ist Ostern.“
Die Tränen, die sie bislang zurückgehalten hatte, flossen jetzt reichlich. Sie legte den Kopf in die Hände. Ihr Schmerz war zu groß,
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