Julia Extra Band 361
sagte Bonnie, die ihren Blick bemerkt hatte.
„Ja, bestimmt.“
„Wir hätten uns vielleicht nicht ganz so künstlerisch betätigen sollen“, erwiderte Bonnie, deren Finger ähnlich bunt waren.
„Aber es hat solchen Spaß gemacht“, gab Caro lachend zurück.
Caro hatte eigentlich mit Cabot diesen Osterbrauch pflegen wollen. Am Sonntagmorgen wäre er in ihrer Wohnung aufgewacht und hätte Ostereier und kleine Geschenke gesucht, bevor sie sich angezogen hätten und in die Kirche gegangen wären.
Jetzt mussten sie darauf verzichten.
Stattdessen würde ihr Sohn in dem großen Haus am Lake Champlain aufwachen und einen gigantischen Korb vorfinden, in dem mehr Spielzeug lag, als die meisten Kinder zum Geburtstag und zu Weihnachten zusammen geschenkt bekamen.
Aus leidiger Erfahrung wusste sie, dass Cabot, ganz gleich was sie ihm zum Anziehen zurechtgelegt hätte, einen kleinen Anzug mit weißem Hemd und gestreifter Krawatte tragen müsste – genau wie sein Vater. Susan würde schon dafür sorgen. Und sie würden in die Kirche fahren, bevor Cabot auch nur ein winziges Osterei essen durfte.
In der Kirche würde er auf der Kirchenbank Platz nehmen, die allein für die Familie Wendell reserviert war. Susan würde neben Cabot sitzen und ihm auf den Kopf tippen, wenn er zappelte. Das wäre zweifellos der Fall, sobald er sich hingesetzt hatte. Schließlich war der Junge gerade einmal drei Jahre alt.
Caro blickte hoch. Blaue Augen sahen sie fragend an. Jakes Blick ruhte auf ihr, als er laut sagte: „Schachmatt.“
Er schob den Stuhl zurück und stand auf. Deans Protest half nichts, Jake verließ das Zimmer.
Caro wurde nicht aus ihm schlau. In einem Moment wirkte er wie ein echter Eigenbrötler – wortkarg und mürrisch –, im nächsten Moment schien er jedoch ein wahrer Familienmensch zu sein.
„Sie schauen so skeptisch“, stellte Doreen fest. „Ist alles in Ordnung?“
Caro blinzelte. „Ich war in Gedanken woanders. Entschuldigung.“
„Sie müssen sich nicht entschuldigen.“ Doreen ließ sich nicht hinters Licht führen. „Vermissen Sie Ihre Familie?“
„M…meine Familie?“ Zu Caros Entsetzen füllten sich ihre Augen mit Tränen. Vielleicht hatten die Ereignisse des Tages oder die Tatsache, dass sie wegen des schlechten Wetters noch länger von ihrem Sohn getrennt war, sie innerlich aufgewühlt, denn sie dachte wirklich an ihre Familie. An die Eltern, die sie allzu früh auf tragische Art verloren hatte, und an den kleinen Jungen, der alles war, was ihr auf dieser Welt noch blieb.
Sie durfte ihn nicht auch noch verlieren.
„Es tut mir leid.“ Jetzt war es an Doreen, sich zu entschuldigen. Sie legte eine Hand tröstend auf Caros Arm. „Natürlich vermissen Sie Ihre Familie. Schließlich haben wir Ostern. Einen Feiertag verbringt man doch am liebsten im Kreis seiner Lieben.“
„Ja“, sagte Bonnie, „aus diesem Grund sind wir ja auch hier: um mit Jake zusammen Ostern zu feiern.“
Dean stand auf und kam auf sie zu. „Stimmt. Mein Bruder wollte nicht zu uns kommen, also sind wir hier.“
„Es war ja nicht so, dass er nicht wollte“, sagte Doreen als Entschuldigung für ihren Sohn. „Er … konnte einfach nicht.“
Caro war neugierig geworden und fragte: „Wegen des Hotels?“
„Unter anderem“, antwortete seine Mutter gedehnt. „Er hat in letzter Zeit viel durchgemacht.“
„Man hat ihn hereingelegt. Aber statt zu kämpfen, hat er sich verkrochen.“
„Dean, bitte!“
„Man muss das Kind beim Namen nennen. Das Polizeirevier hat ihn am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Und dann Miranda … Himmel, was sie ihm angetan hat.“ Kopfschüttelnd verließ er das Zimmer.
„Sie müssen ihn entschuldigen“, sagte Bonnie, als ihr Mann gegangen war. „Dean hält mit seiner Meinung nie hinter dem Berg. Das war auch der Grund, warum Jake vorhin ausgeritten ist. Wie waren keinen Tag hier, da hatte Dean schon einen wunden Punkt getroffen.“
„Ich fürchte, das liegt in der Familie“, sagte Doreen. Mit einem Zwinkern fügte sie hinzu: „In der Familie des Vaters natürlich.“
Man hatte ihn am ausgestreckten Arm verhungern lassen? Welchen wunden Punkt mochte Dean getroffen haben? Und wer war diese Miranda, und was hatte sie getan? Diese Fragen brannten Caro unter den Nägeln.
Dennoch schluckte sie ihre Neugier hinunter und stellte eine unverfängliche Frage: „Seit wann gehört ihm der Gasthof?“
„Seit ungefähr einem halben Jahr“, antwortete Doreen.
„War das
Weitere Kostenlose Bücher