Julia Extra Band 361
um seine Ziele zu erreichen.“ Wieder schluchzte sie. „Als er am Sonntag nicht zum vereinbarten Treffpunkt kam, habe ich ihn angerufen. Da sagte er mir, dass sich die Pläne geändert hätten.“
„Sie werden ganz schnell bei Ihrem Sohn sein, vielleicht schon morgen Abend. Spätestens übermorgen“, versicherte ihr Jake.
„Das glauben Sie doch selbst nicht.“ Sie schüttelte traurig den Kopf. „Die Straßen sind vielleicht tagelang nicht befahrbar. Und wer weiß, wie lange die Reparatur meines Autos dauert. Es steckt immer noch in der Schneewehe fest.“
„Alles wird gut, Caro. Das verspreche ich. Sie werden Ihren Sohn bald wiedersehen, und wenn ich Sie selbst hinbringen muss.“
Jake war ein Mann, der nie leere Versprechen machte. Er stand zu seinem Wort, auch wenn sich die öffentliche Meinung darauf versteift hatte, dass er ein Lügner war, der nach jeder Ausrede griff, wenn er damit die eigene Haut retten konnte.
„Warum wollen Sie das für mich tun?“, fragte Caro.
„Ihr Sohn verdient … er verdient …“ Er brachte den Satz nicht zu Ende. Ihr Sohn verdiente das, was seinem eigenen Kind verwehrt geblieben war – die bedingungslose Liebe seiner Mutter.
Allerdings war er sich nicht sicher, ob das wirklich der einzige Grund war, warum er Caro dieses Angebot gemacht hatte.
Jake sah die Tränen auf Caros Wangen. Obwohl er in letzter Zeit eher mit Hammer und anderem Werkzeug umgegangen war, nahm er die Hand und wischte ihre Tränen weg.
Caro schaute ihn dankbar an. „Sie sind ein guter Mensch, Jake.“
Ihre Worte waren wie Balsam für seine geschundene Seele. Er betrachtete ihr Gesicht im flackernden Schein des Kaminfeuers. Verlangen stieg in ihm auf. Es überraschte ihn nicht, denn schließlich hatte er seit längerer Zeit wie ein Mönch gelebt. Aber da war noch etwas anderes, etwas Unerklärliches. Er spürte ein Verlangen, das ihn tief in seiner Seele traf.
Er neigte den Kopf, zu gern hätte er sie geküsst. Nein, das darf ich nicht, durchfuhr es ihn. Seine Lippen berührten sanft ihre Stirn, dann zog er sie schnell wieder zurück.
Caro schien nicht beleidigt zu sein, sondern lächelte ihn an. „Eines Tages werden Sie ein guter Vater sein.“
Der Satz traf ihn wie eine Kugel in die Brust. Er machte einen unbeholfenen Schritt zurück und schluckte schwer.
„Jake?“
Er gab keine Antwort, sondern verließ das Zimmer.
Noch lange Zeit, nachdem Jake gegangen war, stand Caro da, die Arme vor der Brust verschränkt, bis sich ihr Herzschlag beruhigt hatte. Wahrscheinlich zittere ich nur, weil ich so friere, redete sie sich ein. Dabei war es im Zimmer mit dem prasselnden Kaminfeuer inzwischen gemütlich warm geworden. In Wahrheit machte ihr das unerwartete Verlangen in ihrem Innern große Sorgen.
Sie hätte nicht so empfinden dürfen. Allerdings schien es ihm ähnlich zu gehen. Wäre er sonst vor ihr davongelaufen?
Sie zog das Bettlaken glatt und atmete tief ein. Sie hätte schwören können, dass sein Duft von dem Laken aufstieg. Sie musste unbedingt aufbrechen, sobald die Straßen frei wären. Es war ihr wirklich ernst gewesen, als sie Jake gesagt hatte, dass sie ihn für einen guten Menschen hielt. Unter dem mürrischen Äußeren verbarg sich ein weiches Herz. Jake war jemand, der zupacken konnte. Anstatt unangenehmen Aufgaben aus dem Weg zu gehen, krempelte er die Ärmel hoch und tat, was getan werden musste.
Aber selbst ein guter Mensch verhieß nicht unbedingt Gutes, wenn man ihm zur falschen Zeit begegnete. Genauso wie man einen schlechten Menschen für einen guten halten konnte, wenn man blind vor Kummer war.
Die Worte, die ihr Truman eine Woche zuvor am Telefon gesagt hatte, fielen ihr wieder ein.
„Du gehörst zu mir, Caroline. Du brauchst mich.“
„Ich brauche niemanden“, hatte sie protestiert.
„Nein, meine Liebe. Du bist zu schwach, um allein zu sein. Und vor allem kannst du unseren Sohn nicht allein großziehen.“
„Was willst du damit sagen?“, hatte sie gefragt.
Sie hatte gedacht, dass sie seinen Machenschaften entkommen war. Sie hatte gehofft, dass sie ihr Leben langsam wieder in den Griff bekommen und ihrem Sohn ein liebevolles Zuhause bieten könnte. Doch sie hatte sich getäuscht.
„Ich werde es nicht zulassen, dass unser Sohn bei einer kummergeplagten alleinerziehenden Mutter aufwächst. Du wirst also bis Ostern zu mir zurückkommen und dein Leben an meiner Seite wieder aufnehmen. Außer Mutter weiß niemand, dass du mich verlasen wolltest.“
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