Julia Extra Band 361
verhungert er, wenn ich ihn nicht füttere … oder rennt wieder weg.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Und wird erschossen.“
Andreas stieß die Luft durch die Zähne. „Ist dir diese struppige Kreatur wirklich so wichtig?“
„Ja. Ich durfte nie ein Haustier haben, wir haben immer nur in kleinen Wohnungen gelebt. Dabei habe ich mir so sehr einen Hund gewünscht. Hunde urteilen nicht, sie lieben dich einfach nur, ganz gleich, ob du reich bist oder arm. Ihnen ist egal, ob du in einer Villa oder einem Wohnwagen lebst. Ich wollte doch immer nur …“ Entsetzt brach sie ab. Gott, wie peinlich! Was dachte sie sich nur, hier ihre Kindheitssehnsüchte herauszuposaunen!
Sie zuckte leicht mit einer Schulter. „Wenn ich es mir genau überlege, wird Elena ihm sicher ein paar Knochen hinwerfen können. Wenn ich in sechs Monaten gehe, kann ich ihn sowieso nicht mitnehmen. Da sollte ich mich nicht zu sehr an ihn gewöhnen.“
Andreas runzelte die Stirn. „Warum solltest du ihn nicht mitnehmen können?“
„Ich will reisen. Das kann man mit einem Tier nicht. In sechs Monaten werde ich genug Geld haben, um zu fahren, wohin ich will, wann ich will. Keine Verantwortung, außer für mich selbst. Das nenne ich das perfekte Leben.“
„Für mich hört sich das eher flach an. Erwartest du nicht mehr vom Leben als eine nie endende Party?“
„Nein. Ich kann jeden Tag feiern, vor allem, wenn ein anderer bezahlt.“
Ein Muskel zuckte in seiner Wange, sein Blick glitzerte eisig. „Du bist wirklich vollkommen verdorben.“
„Ja, so bin ich eben.“ Sie trank ihr Glas in einem Zug leer und hielt es ihm hin. „Füllst du auf?“
„Schenk dir selbst nach.“ Mit einem angewiderten Schnauben ließ er sie stehen und verließ den salon .
Elena kam am nächsten Morgen früher, um Sienna zu helfen, sich für die Trauung fertigzumachen. Aufgeregt wie eine Glucke flatterte sie um Sienna herum und wurde nicht müde zu betonen, wie wunderschön sie doch aussehe. Das cremefarbene Kleid hatte Sienna mit Andreas’ Kreditkarte gekauft, und ehrlich gesagt … wenn sie an den Preis dachte, wurde ihr noch immer leicht übel.
„Signor Ferrante wird überwältigt sein.“ Die Haushälterin strahlte.
Sienna rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin froh, wenn alles vorbei ist.“ Nervös strich sie sich das Kleid glatt. „In meinem Magen summt ein ganzer Bienenschwarm.“
„Das ist völlig normal für eine Braut“, versicherte Elena aufmunternd.
Sienna fühlte sich aber nicht wie eine Braut, sondern wie eine Betrügerin. Als Mädchen hatte sie immer von einer Märchenhochzeit in Weiß geträumt, mit Blumenmädchen und Kutsche und einem Bräutigam, der ihr verliebt in die Augen blickte. Doch ihre Träume und die Realität hatten sich schon immer schwer in Einklang bringen lassen.
„Franco hat den Wagen vorgefahren“, sagte Elena jetzt. „Es ist so weit.“
Andreas wartete am Fuß der Treppe, als die Erscheinung oben auf dem Absatz auftauchte. Er war nicht sicher gewesen, was genau er zu erwarten hatte – ob Sienna vielleicht in verwaschenen Jeans oder unmöglich kurzem Rock und barfuß auftauchen würde. Auf jeden Fall hatte er nicht mit dieser Vision in hellem Satin gerechnet, so aufsehenerregend elegant, dass es ihm den Atem raubte.
Ihr silberblondes Haar hatte sie zu einem klassischen Chignon gesteckt, sodass ihr schlanker Hals vollendet zur Geltung kam, dezentes Make-up betonte ihre Augen und die feinen Gesichtszüge. Das Einzige, was fehlte, war Schmuck.
Das Schuldgefühl traf ihn wie ein Blitz. Daran hätte er denken müssen! Aber er war davon ausgegangen, sie würde es voll ausnutzen, dass er ihr seine Kreditkarte überlassen hatte.
„Du siehst großartig aus“, begrüßte er sie, als sie bei ihm ankam. „So schön habe ich dich noch nie gesehen.“
„Schon erstaunlich, was ein bisschen Geld bewirken kann, was?“, meinte sie schnippisch. „Du willst gar nicht wissen, was dieses Kleid gekostet hat, von den Schuhen ganz zu schweigen.“
Elena und Franco standen wie die stolzen Eltern der Braut im Hintergrund. Innerhalb einer kurzen Woche hatte Sienna die beiden völlig bezaubert, genau wie diesen struppigen Hund. Sienna besaß eine ganz eigene Art, sie hatte nichts gemein mit den Frauen, die er kannte. Sie war eben eine gute Schauspielerin, überzeugte andere von ihrem angeblich heiteren und liebenswürdigen Wesen, obwohl sie in Wahrheit nichts als ein kalt kalkulierendes Biest war.
„Wir brauchen noch ein
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