Julia Extra Band 363
Mia und Misty zum Beispiel.“ Sie deutete auf eine Gruppe farbenfroh gekleideter Frauen, offenbar ihre Arbeitskolleginnen. „Drei äußerst kluge Frauen und außerdem ganz wunderbare Freundinnen. Wir alle empfinden unsere Arbeit als Bereicherung.“
Er verstand, was sie damit sagen wollte, zuckte aber nur die Schultern. „Das geht mir ebenso. Dann können wir uns alle gratulieren, weil wir unsere Lebenszeit so sinnvoll nutzen. Wobei ich persönlich das zuweilen als Ausrede benutze, warum ich außerhalb meines Berufs ein eher eintöniges Leben führe.“ Er verzog die Mundwinkel zu einem ironischen Grinsen. „Was machen Sie sonst so, Emma?“
Emma sah ihn leicht irritiert an. „Nun, ich habe ein Kind zu versorgen.“ Gianni lächelte. „Ja, und Sie sind bestimmt eine gute Mutter. Aber was tun Sie für sich selbst? Für die Frau in Ihnen?“
Ihre Augen wurden schmal, und statt einer Antwort gab sie die Frage an ihn zurück. „Was tun Sie denn für den Mann in Ihnen, Gianni?“
Im gleichen Moment rief jemand nach ihr, und sie wandte sich von ihm ab, als wäre sie froh, die heikle Diskussion zu beenden. Einen Augenblick später war sie verschwunden. Gedankenverloren blickte Gianni ihr nach. Er hatte nicht damit gerechnet, in diesem verlassenen Nest auf eine solch faszinierende und attraktive Frau zu treffen. Aber sein Leben würde sich nie ändern.
2. KAPITEL
Kaum zwei Stunden später ertappte sich Emma dabei, wie sie verstohlen nach Gianni Ausschau hielt.
Morgen würde er abreisen. Umso besser. Er war ein attraktiver Mann, das war nicht zu leugnen, aber sie hatte nicht vor, sich mit ihm einzulassen. Zumal er bald seinen nächsten Einsatz beim internationalen medizinischen Rettungsdienst antreten würde. Angus hatte diesen harten und entbehrungsreichen Job bereits vor fünf Jahren aufgegeben, um Ned bei der Arbeit in der Klinik zu unterstützen.
Trotzdem hatte ihre Begegnung mit Gianni einen tiefen Eindruck hinterlassen. In Gedanken versuchte sie, die spärlichen Informationen, die sie über ihn besaß, zu einem Bild zusammenzusetzen.
Angus hatte ihn damals vor zehn Jahren aus den Trümmern gerettet und seinem Leben eine neue Richtung gegeben. Zwischen den beiden ungleichen Männern war eine dauerhafte Freundschaft entstanden, die nun schon zehn Jahre andauerte.
Wie war sie selbst vor zehn Jahren gewesen? Ein Schulmädchen, das noch nicht ahnte, dass es bald eine junge Mutter sein würde. Ihre eigene Mutter hatte noch nichts von der unheilvollen Diagnose gewusst, die ihr Leben zerstören und das ihrer Familie für immer verändern würde. Aber daran wollte Emma jetzt nicht denken.
Ah, dort drüben stand er und unterhielt sich mit Angus. Als hätte er ihren suchenden Blick gespürt, drehte er sich im gleichen Moment zu ihr um, und ihre Blicke trafen sich. Einen Moment lang standen sie beide unbeweglich. Dann sagte Angus wieder etwas zu ihm, und Gianni wandte sich ab. Emma trat hastig ein paar Schritte zur Seite. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie ihn so unverfroren angestarrt hatte. Andererseits war sie sich sicher, dass er sich ebenfalls zu ihr hingezogen fühlte. Schließlich hatte er sich den ganzen Tag über in ihrer Nähe aufgehalten, war ihr wortlos gefolgt, wenn sie von einer Gruppe zur nächsten ging. Emma wusste, dass er erneut das Gespräch mit ihr suchen würde.
Tatsächlich tauchte er nur wenig später neben ihr auf. Es war Zeit für ein paar klare Worte. „Sie reisen morgen ab?“, fragte sie unverblümt.
„So ist es.“
„Schade. Die Gegend um den Lyrebird Lake ist wirklich sehenswert.“
Er musterte sie neugierig. „Wenn ich geahnt hätte, wie schön es hier ist, wäre ich ein paar Tage länger geblieben. Hätten Sie sich als meine Fremdenführerin angeboten, Emma?“
„Vielleicht. Aber Ihre Pläne lassen sich wohl nicht ändern?“
„Ich will noch meinen Bruder in Italien besuchen. Wir haben uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Es ist an der Zeit.“ In einer theatralischen Geste breitete er die Hände aus. Emma schmunzelte. Typisch Südländer.
„Haben Sie sich gestritten? Ist Ihr Bruder verheiratet?“
„Sie können Fragen stellen … Leon hat ebenfalls vor Kurzem seine Frau verloren. Was immer zwischen uns stand, ist jetzt Vergangenheit.“ Mit dieser geheimnisvollen Andeutung musste sie sich wohl fürs Erste zufriedengeben. Immerhin schien er ihre Frage nicht als aufdringlich empfunden zu haben.
Alles an ihm wirkte fremd und faszinierend. Im Gegensatz zu
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