Julia Extra Band 363
nachlässt.“
„Ich gebe ihr einen Eisbeutel mit“, bot Emma an. „Wie steht es mit einer Tetanus-Spritze?“
„Nicht nötig“, sagte Gianni. „Ihr letzter Gartenunfall liegt erst drei Monate zurück.“
Wieder ruhte sein Blick auf Emma. Ihr Gesicht brannte. Schnell drehte sie sich weg. „Dann kann ich hier ja aufräumen.“ Glücklicherweise rief Christine Gianni gerade zu sich. Höflich verabschiedete er sich von Clive und Doris und verschwand.
Doris warf Emma einen neugierigen Blick zu. „Was für ein gut aussehender Mann. Kannst du nicht deinen Charme spielen lassen und ihn überreden, länger bei uns zu bleiben?“
„Er lebt eigentlich in Italien, Doris. Und er hat seine Frau bei einem tragischen Unfall verloren.“
„Also perfekte Voraussetzungen.“
Ihre trockene Art brachte Emma zum Lachen. „Lass es gut sein, Doris. Ich habe mit meiner Arbeit und mit meiner Mutter alle Hände voll zu tun. Grace bekommt mich schon kaum zu Gesicht, da kann ich nicht obendrein noch einen Mann gebrauchen.“
Doris öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Clive war schneller. „Komm, Liebes, wir wollen Emma nicht länger von der Arbeit abhalten.“ Er zwinkerte Emma zu, und sie schenkte ihm einen dankbaren Blick. Sie wusste, was Doris hatte sagen wollen, denn sie hatte es mehr als einmal gehört: Die kleine Grace braucht einen Vater .
Vielleicht wäre Gianni ein guter Stiefvater. Aber Emma brachte es nicht fertig, über ihren vierzigsten Geburtstag hinauszudenken. Wie sollte sie eine feste Bindung eingehen, solange das Damoklesschwert namens Chorea Huntington über ihr schwebte? Niemals würde sie ihrem Partner sehenden Auges ein Leben zumuten, wie es ihr Vater führen musste. Noch dazu, wo bereits Giannis erste Ehe ein tragisches Ende gefunden hatte. Nein, für Emma konnte es keine neue Liebe geben. Aber sie würde deswegen nicht in Selbstmitleid zerfließen.
Grace war ihr Ein und Alles. Sie würde alles tun, damit ihre Tochter gut versorgt war, wenn sie selbst nicht mehr für sie da sein konnte. Sie sollte ihre Mutter in guter Erinnerung behalten.
Emma riss sich aus ihren Gedanken und machte sich an die Arbeit. Sie stellte fest, dass Gianni seinen Arbeitsplatz nicht halb so unordentlich hinterlassen hatte wie die anderen Ärzte.
Das Wartezimmer war hoffnungslos überlaufen. Doch bevor sie den nächsten Patienten aufrufen konnte, öffnete sich die Schiebetür und Emmas Brüder in ihren Sanitäteruniformen schoben einen Patienten auf einer Trage herein.
„Ein Notfall? Dann bringt ihn gleich zu Dr. Bonmarito“, wies Emma sie an. Nachdenklich blickte sie den beiden hinterher. Im Gegensatz zu ihr hatten ihre Brüder sich bereits testen lassen und wussten, dass die Huntington-Krankheit eines Tages bei ihnen ausbrechen würde. Auch Emma selbst würde nicht ewig vor der Realität davonlaufen können.
An jedem anderen Tag zog Emma ihre Arbeit als Hebamme der hektischen Atmosphäre in der Notaufnahme vor. Heute allerdings war sie dankbar für jeden einzelnen Patienten, der sie von ihren Gedanken an Gianni Bonmarito ablenkte.
Sie kam nicht umhin, seine warmherzige Art im Umgang mit den Patienten und Kollegen zu bemerken, und es versetzte ihr jedes Mal einen Stich, als ihr bewusst wurde, was ihr entging.
Darum beeilte sie sich, die Station zu verlassen, sobald ihre Schicht zu Ende war. In der vertrauten Umgebung ihres Zuhauses würde es ihr leichter fallen, sich ihre Tagträumereien ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen und sich auf das zu konzentrieren, was in ihrem Leben wichtig war.
Doch als sie den Fußweg zur Hauptstraße hinunterging, ertönte plötzlich Giannis Stimme hinter ihr und ließ sie zusammenfahren. „Das war ein anstrengender Tag, oder?“
„Das kann man wohl sagen.“ So leicht konnte sie ihm offenbar nicht entkommen. Emmas Knie begannen zu zittern, und sie presste die Lippen fest aufeinander.
Schon ging Gianni mit federnden Schritten neben ihr. Die letzten Sonnenstrahlen schienen auf seine breiten Schultern und seinen zerzausten Haarschopf. Emma juckte es in den Fingern, ihn zu berühren. Stattdessen hielt sie ihre Handtasche noch fester. Was war bloß in sie gefahren?
Zum Beispiel der Wunsch nach einer weiteren leidenschaftlichen Nacht? flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Der Gedanke trieb ihr abermals die Röte in die Wangen, und sie schlug die Augen nieder.
Gianni sah sie prüfend an. „Du scheinst nicht gerade begeistert zu sein, mich zu sehen. Soll ich dich lieber
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