Julia Extra Band 363
konnte.
Der Rest des Besuches war ihr gründlich verleidet. Früher als üblich verabschiedete sie sich von ihren Eltern, damit sie Gianni ungestört die Meinung sagen konnte.
„Ich fasse es einfach nicht, dass du das gesagt hast“, fuhr sie ihn an, sobald sie im Wagen saßen. „Und das auch noch vor meiner Mutter. Wenn ich geahnt hätte, was du vorhast, hätte ich dir niemals erlaubt mitzukommen.“
„Das dachte ich mir“, sage er mit einem selbstgefälligen Unterton, der Emma erst recht in Rage brachte.
„Hörst du mir eigentlich nicht zu? Ich werde dich nicht heiraten. Ich werde niemanden heiraten. Du hast gesehen, in welcher Verfassung meine Mutter sich befindet. Niemals werde ich einen Mann auf diese Weise an mich fesseln, so wie es mit meinem Vater geschehen ist.“
„Beruhige dich, cara . Niemand von uns weiß, wie lange das Leben dauern wird. Glaubst du, dass deines so schnell vorbei sein wird, dass du auf alles Schöne in der Welt verzichten kannst?“
Das war nicht fair. „Wenn du damit sagen willst, dass ich mein Leben verschwende, dann irrst du dich. Ich weiß nur zu gut, wie kostbar jeder einzelne Tag ist. Vermutlich sollte ich der Krankheit dankbar für diese Erkenntnis sein. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob du es dir leisten kannst, den Rest deines Lebens an mich zu verschwenden?“ Ihr war schwindelig, so verzweifelt suchte sie nach Worten, um ihm ihre Gedanken begreiflich zu machen.
Gianni schüttelte den Kopf. „Jahrelang war die Arbeit mein einziger Lebensinhalt. Das nenne ich Verschwendung. Erst durch dich habe ich wieder gelernt, das Leben zu genießen. Ich werde nicht zulassen, dass du mich von deiner Schwangerschaft und der Geburt unseres Kindes ausschließt. An meinen Gefühlen für dich kann ich nichts ändern. Ob du eines Tages an Huntington erkranken wirst oder nicht, hat damit nichts zu tun. Ich will immer für dich da sein.“
Die Vorstellung war verlockend, aber die Realität war eine andere. „Ich werde keinem Mann das Schicksal meines Vaters zumuten.“
Doch Gianni schüttelte abermals den Kopf, als wollte er ihre Aussage infrage stellen. „Emma, wenn du mich fragst, ist dein Vater genau dort, wo er sein möchte. Dafür bewundere ich ihn. Auf mich machte er nicht den Eindruck, als würde er unter der Situation leiden. Deine Eltern waren mir sympathisch – beide.“ Das letzte Wort betonte er besonders.
Emma blinzelte verwirrt. Hatte Gianni etwas in ihren Eltern gesehen, das ihr selbst entgangen war? Sicher, ihr Vater war ein wunderbarer Mensch, und er wirkte in der Tat nicht sonderlich verzweifelt. Ihre Mutter war sehr krank, aber sie hatte eine Familie, die sie liebte, und einen Mann, der an ihrer Seite war. Emma dachte an ihre Kindheit zurück, daran, wie liebevoll Clare sich um sie gekümmert hatte, als sie noch gesund gewesen war. Konnte es sein, dass sie all das nicht wahrgenommen hatte, aus lauter Sorge um Grace und ihr eigenes Schicksal?
Gianni war noch nicht fertig. „Natürlich hast du Bedenken, dich an einen Mann zu binden, den du kaum kennst, und machst dir Sorgen um deine Gesundheit. Aber vergiss nicht, dass ich dir vieles ermöglichen kann. Reichtum ist keine Garantie für ein glückliches Leben, aber er kann unter gewissen Umständen sehr nützlich sein. Du musst mir lediglich dein Vertrauen schenken und bereit sein, auch diesen Aspekt deines Lebens mit mir zu teilen.“
So verlockend sein Angebot auch klang, sie konnte niemals darauf eingehen. Nicht angesichts der Zukunft, die ihr bevorstand, egal, wie morgen das Testergebnis ausfallen würde.
„Es geht einfach nicht, Gianni.“ Emma blickte starr geradeaus und bemerkte erst jetzt, dass sie bereits vor dem Bürohaus angekommen waren, in dem die Huntington-Gesellschaft von Queensland untergebracht war. Bei den wöchentlichen Angehörigen-Treffen begegnete sie Menschen, die in einem ähnlichen Dilemma steckten wie sie selbst. Wenngleich die meisten von ihnen in Bezug auf ihre Diagnose mutiger gewesen waren …
„Überleg es dir, cara .“ Gianni warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir können beim Abendessen weiterreden. Um sieben Uhr hole ich dich im Hotel ab.“
Sie würde sich nicht umstimmen lassen. Sein Verhalten ihren Eltern gegenüber war unverzeihlich. „Ich werde mir lieber eine andere Unterkunft suchen. Ich vertraue dir nicht.“
Er schien nicht überrascht zu sein. „Das ist kindisch. Du weißt, dass wir reden müssen und uns nicht viel Zeit bleibt. In einer Woche
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