Julia Extra Band 363
ist, dass sie nie die perfekte Schwester war, die du anscheinend in ihr siehst. Ich könnte dir ein Dutzend Dinge erzählen, aber würdest du mir denn glauben? Ja, ich weiß – Blut ist dicker als Wasser.“ Tarah war eine eifersüchtige und besitzergreifende Frau gewesen, und dennoch hatte er sie geliebt und daran geglaubt, dass sie dieselben Gefühle für ihn hegte. Das Ende ihrer Beziehung war daher ein Riesenschock für ihn gewesen.
„Und du bist Mr Perfect, ja?“ Kristie zitterte vor Wut. „Du hast meine Schwester getötet, ist dir das klar? Wenn du sie nicht geschwängert hättest, dann wäre sie nie gestorben. Ich hasse dich aus dem tiefsten Grund meines Herzens. Nun hau ab, bevor ich dich noch die Treppe hinunterstoße …“
Das war also der Grund, weshalb Kristie ihm gegenüber so feindselig gewesen war! Arme Kristie … Wie sehr musste sie gelitten haben!
„Vielleicht sollte ich jetzt gehen.“ Radford atmete tief durch und ließ Kristie nicht aus den Augen. „Aber das ist nicht das Ende unseres Gesprächs. Ich denke immer noch, dass Heiraten die vernünftigste Entscheidung ist. Denk bitte darüber nach. Entweder Ben und ich, oder keiner von beiden.“
Als Radford die Treppe hinunterstieg, starrte ihm Kristie erschüttert hinterher.
Wieso behauptete er, dass Tarah gelogen hatte? Sie erinnerte sich noch genau, wie aufgelöst Tarah nach der Trennung gewesen war. So hätte sie doch nicht reagiert, wenn sie selbst Schluss gemacht hätte!
Auf dem Tisch im Flur fand sie Chloes Schlüssel. Zumindest würde sich Radford hier nicht wieder einschleichen. Sie hatte sich fast zu Tode erschrocken, als sie vorhin die Schritte auf der Treppe hörte – sie hatte geglaubt, es wäre ein Einbrecher.
Und was seine Idee mit der Heirat betraf – für wie verrückt hielt er sie eigentlich? Sie wussten doch beide, dass er sich auf diese Weise nur an Ben heranmachen wollte.
Den restlichen Tag verbrachte Kristie im Krankenhaus, voller Sorge, dass Radford zurückkehren könnte. Zu ihrer großen Erleichterung tauchte er jedoch nicht auf. Abends kehrte sie mit Chloe nach Hause zurück. Sie brauchte dringend Schlaf. Ihr war klar, dass Radford nicht viel unternehmen konnte, solange Ben an die Maschinen angeschlossen war.
Da Ben nach Flopsy, seinem alten Plüschhasen, gefragt hatte, betrat Kristie nach langer Zeit wieder mal ihren Dachboden. Dabei stieß sie auf einen Karton, der persönliche Gegenstände aus der Wohnung ihrer Schwester enthielt. Nach Tarahs Tod hatte sie es nicht übers Herz gebracht, die Sachen durchzusehen. Und danach hatte sie die Kiste komplett vergessen.
Als sie den Karton öffnete, flatterte ihr zuallererst ein Foto von Tarah und Radford entgegen. Es war ein Selbstauslöserfoto, auf dem sich beide lachend umarmten. Tarahs Kopf ruhte auf Radfords Schulter, und sie sah ungemein glücklich aus. Was war damals wirklich geschehen? Hatte Tarah gelogen?
Neben vielen anderen Fotos fand sie auch Aufnahmen, die Radford zeigten. Was für ein außergewöhnlicher Zufall, dass sie ausgerechnet den Mann getroffen hatte, der der Liebhaber ihrer Schwester gewesen war – und der über hundert Kilometer von ihr entfernt lebte. Und das Erstaunlichste von allem – sie hatte sich in ihn verliebt.
Es war ein reichlich absurder Gedanke. Zugegeben, Radford erregte sie sexuell – aber sonst? Sie konnte ihn nicht einmal leiden – von Anfang an hatten sie nur gestritten. Das konnte doch nie und nimmer Liebe sein?
Kristies Gedanken wanderten wieder zu ihrem Gespräch von vorhin zurück. Sie hatte Dinge zu ihm gesagt, die sie nicht so gemeint hatte und die ihr leidtaten – etwa ihr Kommentar mit der Treppe. Radford hatte nicht gewusst, dass Tarah schwanger gewesen war. Das musste sie ihm fairerweise zugutehalten.
Am nächsten Tag hatte sich Bens Zustand so weit gebessert, dass er von der Intensivstation auf eine Kinderstation verlegt werden konnte. Es war Balsam für Kristies Seele, als sie ihn wieder unbeschwert plaudern und lachen sah, und sie fühlte sich nicht ganz so elend, als sie ihn wieder verlassen musste.
Wie letzte Nacht wartete Kristie, bis Chloe zu Bett gegangen war, bevor sie Tarahs Karton hervorzog. Ganz unten war ihr Tagebuch verstaut. Als sie es nun durchblätterte, fühlte sich Kristie irgendwie schuldig. Sie wollte die Privatsphäre ihrer Schwester nicht verletzen.
Zunächst ging es um das Ende von Tarahs Ehe – ihre Schwester schien die Seiten regelrecht mit Tränen überflutet zu
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