Julia Extra Band 363
noch keine Ahnung davon gehabt, was für harte Arbeit auf sie zukommen würde. Doch sie liebte ihren Job und würde ihn gegen nichts auf der Welt eintauschen.
„Also bis bald, ja?“
„Bis bald“, versicherte sie. „Ich werde dich anrufen.“
Kaum hatte Kristie den Hörer aufgelegt, flog die Tür auf, und Ben stürmte herein. „Mummy, Mummy, schau, was ich gemalt habe für dich!“ Hinter ihm trat Chloe ins Zimmer, ganz außer Atem.
„Deine Lehrerin?“, versuchte Kristie zu raten. Das Strichmännchen mit dem zerzausten orangefarbenen Haar konnte so gut wie jeden darstellen.
„Natürlich nicht! Das bist du.“
„Ich weiß, Liebling. War nur ein Scherz.“ Sie hob Benny hoch und umarmte ihn. Dann wirbelte sie ihn herum, während er vor Vergnügen kreischte. „Es ist wunderschön, ich mag es sehr!“
Den restlichen Tag verbrachte Kristie mit ihrem kleinen Sohn. Chloe, ihre Babysitterin und Freundin, wohnte im selben Haus und beschäftigte Ben für gewöhnlich, bis Kristie Feierabend hatte. Aber heute war der Kleine genau die richtige Ablenkung für Kristie. Sie hegte keinesfalls die Absicht, Radford Smythes Mutter zu treffen, jedenfalls nicht heute Abend.
Wofür hielt er sich eigentlich, einfach so Befehle auszusprechen? Ihre Schwester hatte Radford offenbar durch die rosarote Brille gesehen, bloß sein teuflisch gutes Aussehen und seinen attraktiven Körper wahrgenommen und die Tatsache ignoriert, dass es ihm an den grundlegendsten Umgangsformen fehlte.
Erst am nächsten Morgen rief Kristie Mrs Mandervell-Smythe an, worauf man ihr sogleich ausrichtete, dass diese außer Haus sei.
Sie war gerade dabei, der Person am Telefon zu erklären, dass sie eine Nachricht hinterlassen wollte, als eine wohlbekannte Stimme aus dem Hörer drang.
„Kristie Swift?“
Sie schluckte schwer. „Am Apparat.“ Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Radford noch hier war.
„Wo waren Sie gestern Abend?“, fragte er schroff.
„Wie bitte?“
„Ich habe Sie für eine weitere Beratung hergebeten.“
„Sie haben mich nicht hergebeten, Sie haben mich herzitiert, und das kann ich nicht leiden. Aber, um die Wahrheit zu sagen“, fuhr sie fort, „hatte ich etwas weit Wichtigeres zu tun.“ Der kleine Ben war der Mittelpunkt ihres Lebens und wichtiger als alles andere. „Aber Sie wollten ja nicht zuhören.“
„Wann käme Ihnen ein Besuch denn gelegen?“, fragte Radford voller Sarkasmus.
„Vielleicht heute Nachmittag, gegen halb vier“, schlug Kristie vor.
„Ich richte es meiner Mutter aus.“
„Verraten Sie mir doch“, meinte Kristie, bevor sie sich zurückhalten konnte, „wer hier das Sagen hat – Ihre Mutter oder Sie? Ich würde wirklich gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe.“
Es folgte längeres Schweigen. Kristie fühlte sich zusehends unwohl. So hätte sie nicht mit ihm reden dürfen. Er hatte bereits zuvor daran gezweifelt, dass sie dem Job gewachsen war, nun musste er sich sicher sein.
„Entschuldigung“, sagte sie schnell. „Das war sehr unhöflich von mir. Ich sehe Ihre Mutter also um 15 Uhr 30.“ Damit legte sie den Hörer auf und atmete tief durch.
Sie sollte ihre Abneigung für Radford Smythe besser nicht derart zur Schau stellen. Sie konnte es sich einfach nicht leisten, den Auftrag zu verlieren. Nach Bens Geburt hatte sie ihre Wohnung aufgegeben und war in ein mit einer enormen Hypothek belastetes Haus gezogen. Chloes Anteil an den Haushaltskosten half ihr ein bisschen, doch sie musste immer noch hart arbeiten, um sich und ihr Kind über Wasser zu halten.
Die nächsten Stunden verrannen allzu schnell, und gegen halb vier fuhr sie mit klopfendem Herzen zum Anwesen der Mandervell-Smythes.
Das gut vier Meter hohe Tor schwang auf, als sich Kristie näherte, und gleich am Eingang traf sie niemand Geringeres als Radford. Er hatte ganz offensichtlich auf ihre Ankunft gewartet. „Danke fürs Kommen“, begrüßte er sie trocken und bedachte sie mit einem bohrenden Blick, der ihr das Gefühl gab, er könne direkt in ihre Seele blicken.
Er trug ein offenes weißes Hemd zu einer dunkelgrünen Freizeithose und machte einen absolut entspannten Eindruck. Zudem umspielte ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel. Kristie fühlte sich äußerst unwohl in seiner Gegenwart. Nicht zuletzt aufgrund seiner durchdringenden Augen. Es waren schöne Augen, zugegeben, mit langen dichten Wimpern, doch sie sahen einfach zu viel.
Radford trat zurück und ließ sie eintreten. Sie betrat die große
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