Julia Extra Band 364 (German Edition)
und mein Onkel haben Lyonedes Enterprises gegründet. Markos und ich haben diesen Erfolg nur noch etwas vergrößert.“
„Etwas vergrößert“ war stark untertrieben. Gemini wusste, dass Lyonedes Enterprises inzwischen ein weltumspannendes Imperium war, und daran hatten er und sein Cousin maßgeblichen Anteil.
„Mein Vater hat das Unternehmen, das er aufgebaut und viele Jahre geführt hat, verkauft, als er mit sechzig in den Ruhestand ging“, erzählte sie.
„Hatten Sie kein Interesse, seine Nachfolge anzutreten? Oder hätte sich Ihr Vater einen männlichen Nachfolger gewünscht?“, erkundigte sich Drakon interessiert.
Ihr Lächeln verrutschte leicht. „Ich nehme an, beides.“
War das ein trauriger Unterton, der da in ihrer Stimme mitschwang, oder bildete er sich das nur ein? War sie vielleicht ein Einzelkind und hatte darunter gelitten? Drakon, der selbst keine Geschwister hatte, war seinem Schicksal immer dankbar gewesen, dass er mit seinem Cousin aufgewachsen war.
„Ich habe mich schon sehr früh für Blumen, Pflanzen und die Natur überhaupt interessiert.“ Sie lachte. „Als Kind habe ich den halben Garten umgegraben, bis meine Mutter meinen Vater überredet hat, mir ein eigenes Beet zu geben, weil sie Angst hatte, dass ich sonst womöglich irgendwann seine wertvollen Rosen ausbuddele“, fügte sie mit einem melancholischen Lächeln hinzu.
Wenn sie von ihren Eltern sprach, spürte man die Liebe, die sie für diese empfunden hatte und offenbar bis über den Tod hinaus empfand. Vielleicht hatte sie ja deshalb die zweite Ehefrau ihres Vaters, die kaum älter war als sie selbst, nicht wirklich akzeptieren können.
„Auf jeden Fall dürfte es für einen Mann nicht so einfach werden, Ihnen Blumen zu schenken, wo Sie doch selbst einen Blumenladen haben.“
„Oh, das sehe ich überhaupt nicht so“, widersprach Gemini munter. „Meine Lieblingsblumen sind gelbe Rosen, falls Sie jemals in die Verlegenheit …“ Sie schwieg plötzlich, während ihr eine leise Röte in die Wangen stieg. „Was rede ich denn da? Warum sollten ausgerechnet Sie mir Blumen schenken?“ Sie rümpfte peinlich berührt die Nase, bevor sie sich abwandte und zu einem der Fenster schlenderte, um auf die hell erleuchtete Londoner Skyline hinauszuschauen. „Was für ein herrlicher Anblick.“
Ja, das stimmte. Nur dass Drakon nicht die Londoner Skyline meinte, sondern Gemini. Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine Frau wie sie getroffen zu haben. Schön, intelligent, tüchtig, und darüber hinaus war sie ihrem Vater immer eine liebevolle und loyale Tochter gewesen, trotz des unerfreulichen Verhältnisses zu ihrer Stiefmutter. Und jetzt gab sie sich alle Mühe, das Haus zu retten, das ihrer Familie über viele Generationen hinweg ein Zuhause gewesen war.
„Spielen Sie?“
Er lächelte leicht, als er sah, dass ihr Blick auf dem Flügel ruhte.
„Manchmal.“
„Gut?“
„Ganz passabel.“ Er zuckte die Schultern.
„Schwindeln Sie nicht“, rügte sie scherzhaft. „Ich bin mir sicher, dass Sie ausgezeichnet spielen, auch wenn Sie nur selten dazu kommen.“
Drakon gesellte sich zu ihr ans Fenster. Ihr Parfüm war eine faszinierende Mischung aus Blumen und Hölzern. „Warum sagen Sie das?“, fragte er.
Sie verzog den Mund zu einem breiten Lächeln. „Nun, ich kenne Sie zwar erst seit ein paar Stunden, aber ich wage trotzdem zu behaupten, dass Sie kein Mensch sind, der sich damit zufriedengibt, etwas nur ‚ganz passabel‘ zu können, sondern dass Sie stets perfekt sein wollen.“ Ihr Lächeln verblasste langsam und erstarb ganz, als ob ihr erst nach und nach bewusst wurde, was sie da eben gesagt hatte.
Drakon lachte heiser auf, wobei er beobachtete, wie ihr wieder diese kleidsame Röte in die Wangen stieg. „Wenn das ein Kompliment sein soll …“
Gemini war diese plötzliche Vertrautheit, die sich da unbemerkt zwischen ihnen breitgemacht hatte, alles andere als geheuer. Eine seltsame Nähe, der unter anderem ihre distanzlose Bemerkung von eben entsprungen war. Lag das daran, dass es ihr nicht vollständig gelungen war, die Bilder von einem nackt unter der Dusche stehenden Drakon Lyonedes aus ihrem Kopf zu vertreiben? Gut möglich. So wie es überhaupt recht schwierig war, klar zu denken, solange er so dicht neben ihr stand. Derart dunkel und gefährlich …
Sie leckte sich über die Lippen. „Vielleicht sollten wir die Privatgeschichten außen vor lassen und uns jetzt lieber auf das Geschäftliche
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