Julia Extra Band 364 (German Edition)
einfach nur so, dass zusammen mit Dad auch die Erinnerung an Gabriel wieder ein bisschen mehr gestorben ist. Gabriel war der Name meines Bruders.“ Sie holte zitternd Atem. „Obwohl ich ihn nicht kannte, habe ich mich seltsamerweise mein ganzes Leben irgendwie … unvollständig gefühlt. Als würde ein Teil von mir fehlen.“ Sie hob den Kopf und lächelte mit Tränen in den Augen. „Klingt ziemlich verrückt, hm?“
Eigentlich gar nicht, wenn man bedachte, dass Gemini mit ihrem Zwillingsbruder ganz am Anfang ihres Lebens neun Monate im Bauch ihrer Mutter verbracht hatte. Und nachdem ihre Eltern jetzt beide tot waren, hatte Gemini überhaupt keine Familie mehr. Sie war ganz allein auf der Welt … Ohne dass ihm wirklich bewusst geworden wäre, was er tat, streckte er die Hand aus und berührte sehr sacht ihr Haar. „Wahrscheinlich ist das unter diesen Umständen ganz normal.“
„Finden Sie?“, fragte sie leise.
„Ich denke schon“, erwiderte Drakon, während er mit den Fingern einige seidenweiche Strähnen entwirrte.
Gemini fragte sich, warum sie ausgerechnet Drakon Lyonedes derart private Dinge anvertraute. Wo sie ihn doch erst seit heute Morgen kannte und er ihr – zumindest am Anfang – einigermaßen suspekt erschienen war. Noch alarmierender jedoch erschien es ihr, wie bewusst sie sich im Moment seiner körperlichen Nähe war. Nicht dass sie ihn vorher übersehen hätte. Welche Frau könnte einen Mann wie ihn schon übersehen? Aber jetzt, wo er ihr so nah war, befanden sich alle ihre Sinne in Aufruhr. Er roch so gut, würzig frisch und atemberaubend männlich und beunruhigend betörend. Sein Körper an ihrem war herrlich warm, Schultern und Brustkorb erschienen stark und solide, hart und durchtrainiert der Bauch, die langen schlanken Beine waren wie fest im Boden verankerte Säulen, mit muskulösen Oberschenkeln …
Und jetzt … oh Himmel …!
Gemini, die Drakon aus halb geschlossenen Augen beobachtete, stockte der Atem, als sie den untrüglichen Beweis seines Verlangens an ihrem Bauch spürte. Mit ihren hohen Absätzen war sie nur wenige Zentimeter kleiner als er, und ihre Gesichter waren sich so nah, dass sein warmer Atem ihre Wange streifte. Knisternde Spannung lag in der Luft. Er presste die Kiefer fest aufeinander, wobei sein Mund schmal wurde wie ein Strich und sich die Haut über den hohen Wangenknochen spannte. Und diese dunklen Augen …
In diesen dunklen Augen loderte dasselbe Verlangen, das sie an ihrem Bauch spürte! Was nun? Sollte sie ihrem eigenen Verlangen nachgeben, diesem verzehrenden Wunsch, ihre Lippen auf seine zu pressen? Aber das würde nur zu Problemen führen. Sich losreißen und weglaufen war ebenfalls keine Option, weil sie mit ihrem Anliegen noch keinen Schritt weitergekommen war.
Glücklicherweise erlöste Drakon sie gleich darauf aus ihrem Dilemma, indem er sie entschlossen von sich wegschob und einen Schritt zurücktrat.
„Geht’s wieder?“, fragte er so unbewegt, als ob nichts gewesen wäre. Und als er nach seinem Glas griff, um von seinem Wein zu trinken, war die Glut in seinen Augen erloschen.
Gut, wenigstens konnte Gemini jetzt wieder atmen, doch ob es ihr gelingen würde, den Schalter ebenso problemlos umzulegen wie er, blieb abzuwarten. „Ja“, erwiderte sie heiser. „Danke.“
Drakon war nicht klar, wofür Gemini sich bedankte. Dafür, dass er sich ihre familiären Probleme anhörte, vielleicht? Oder weil er darauf verzichtet hatte, die unerträgliche sexuelle Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, zu seinem Vorteil auszunutzen? Ausgerechnet er, der so gar nicht zur Selbstverleugnung taugte und der vertanen Chance wahrscheinlich sein ganzes Leben lang nachtrauern würde?
Er drehte sich langsam zu ihr um und fragte mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen: „Danke wofür?“
Gemini zuckte die Achseln. „Dafür, dass Sie mir für einen Moment Ihre Schulter geliehen haben.“
„Keine Ursache“, sagte er schroff und trat an den Tisch, um sein leeres Weinglas abzustellen. „Aber jetzt will ich endlich Ihr Angebot hören. Ist es dasselbe, das Sie Ihrer Stiefmutter gemacht haben?
„Ja, ich möchte Bartholomew House von Ihnen zurückkaufen.“ Sie holte tief Atem. „Da ich jedoch erst an meinem dreißigsten Geburtstag über mein gesamtes Vermögen verfügen kann, wollte ich Ihnen anbieten, in den nächsten zwei Jahren die monatlichen Zinsausschüttungen an Sie weiterzugeben, und den Rest der Kaufsumme erhalten Sie dann an meinem
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