Julia Extra Band 365
dabei so schmerzhaft das Handgelenk, dass es ihm unmöglich war, sich aus ihrem Griff zu befreien. Gleich darauf ließ sie ihn los.
„Au!“ Markos runzelte ungehalten die Stirn, während er sein schmerzendes Handgelenk mit der anderen Hand umfasste. „Wer hat dir das beigebracht?“ Er musterte sie verblüfft, nachdem er sich überzeugt hatte, dass bei ihm noch alles heil war.
„Selbstverteidigungskurs.“ Energisch zog sie ihre Jacke glatt und überprüfte mit ein paar flüchtigen Bewegungen den Sitz ihrer Frisur, wobei sie hoffte, dass Markos nicht sah, wie ihre Hände zitterten. „Das braucht man als Frau in New York.“ Sie zuckte die Schultern.
„Hm.“ Markos verzog das Gesicht, während er sich wieder gegen die Schreibtischkante lehnte. „Du hast mir noch gar nicht erzählt, warum du hierhergezogen bist.“
Sie zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Wahrscheinlich, weil ich es als meine Privatangelegenheit betrachte.“
Markos musterte sie eine ganze Weile aus halbgeschlossenen Augen. „Dann kann nur ein Mann im Spiel gewesen sein“, vermutete er schließlich.
Sie schüttelte mit einem höhnischen Auflachen den Kopf. „Das ist wieder mal typisch männliche Arroganz.“
Ungerührt zuckte er die breiten Schultern. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich ein typisch arroganter Mann bin.“
„Und auch noch stolz darauf“, fauchte sie.
Das würde Drakon nicht so sagen, aber es war eben, wie es war. Sein Vater und sein Onkel hatten Lyonedes Enterprises noch vor seiner Geburt gegründet. Nach dem Tod seines Onkels vor zehn Jahren hatten er und Drakon die Leitung des Konzerns übernommen und beträchtlich zu seinem weltweiten Wachstum beigetragen. Es wäre lächerlich, diesen Erfolg kleinreden zu wollen, und so hatte sich sowohl bei ihm wie auch bei Drakon in der Tat eine gewisse natürliche Arroganz entwickelt.
Er grinste. „Es ist, wie es ist. Und du, Ms Evangeline Grey, versuchst einfach nur, von meiner Frage abzulenken.“
Das versuchte Eva tatsächlich. Weil sie nicht antworten wollte . Die Scheidung als endgültiges Eingeständnis des Versagens war ein Schritt, den sogar ihre Eltern gescheut hatten, obwohl sie ihn schon vor Jahren hätten tun sollen, statt sich vor Bitterkeit und Enttäuschung langsam gegenseitig zu zerfleischen. Trotzdem war Eva auf ihre eigene gescheiterte Ehe kein bisschen stolz, und darüber reden wollte sie erst recht nicht.
Entschlossen das Kinn hebend, gab sie Markos seinen Kommentar von eben einfach zurück. „Es ist, wie es ist.“
Womit Markos nichts anfangen konnte. „Ich bräuchte bloß ein paar Hintergrundrecherchen anzustellen, dann wüsste ich Bescheid.“
Sie presste ihren Mund zusammen. „Tu dir keinen Zwang an.“
„Keine Angst. Ich warte lieber, bis du es mir vielleicht irgendwann freiwillig erzählst, statt irgendwelchen Gerüchten auf den Leim zu gehen“, fügte er leicht süffisant hinzu.
Sie wurde rot. „Was ist das? Eine Retourkutsche?“
„Keineswegs“, gab er mild zurück. „Aber ich habe Zeit.“
Sie schnaubte. „Da kannst du lange warten.“
Geduld war noch nie eine von Markos’ hervorstechendsten Eigenschaften gewesen, in diesem Fall allerdings hatte er das Gefühl, dass sich das Warten lohnen könnte.
„Ich plane nicht, New York in absehbarer Zeit wieder zu verlassen, Eva“, verkündete er heiser.
Das stand zu befürchten. Für Eva war es der Grund dafür, dass sie nach dem, was sich eben zwischen ihnen abgespielt hatte, ernsthaft erwog, ihr Büro in die Äußere Mongolei oder in die Antarktis zu verlegen!
Weil ihr bei dieser zweiten Begegnung mit Markos Lyonedes schmerzhaft klar geworden war, dass er doch ziemlich anders war, als sie ursprünglich angenommen hatte. Natürlich war er arrogant, aber die maßlose Selbstüberschätzung und Rücksichtslosigkeit, die Donna ihm zuschrieb, konnte sie nirgends entdecken. Sein auffallendster Charakterzug war vielmehr ein starkes Selbstvertrauen und eine große Selbstsicherheit. Außerdem hatte er einen feinen Sinn für Humor, ein Gespür für Ironie und Selbstironie. Und ein Mann, der über sich selbst lachen konnte, hatte in Evas Augen definitiv etwas sehr Anziehendes. Aber das war für sie extrem gefährlich.
„Dann wünsche ich dir bei deinem unbegrenzten Aufenthalt hier noch viel Spaß“, sagte sie leicht dahin. „Ich muss jetzt gehen. Wenn du mich bitte entschuldigen würdest …“
„Hast du nicht etwas vergessen?“, fragte er in sanftem Ton.
Eva erstarrte,
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