Julia Extra Band 365
ihm nicht klar, dass sie seinen Laptop vielleicht nur gestohlen hatte, um seine Bekanntschaft zu machen und ihn dann so mit Sex zu bezirzen, dass er ihr hoffnungslos verfiel? Dass die anderen Gäste die Zeitung gelesen hatten, war jedenfalls eindeutig. Tawny war sich mehr als bewusst, dass alle nur darauf warteten, dass Navarre sich hier und jetzt von ihr trennen würde.
Navarre beobachtete, wie Tawny ihr Frühstück verschlang, als hätte sie seit einem Monat keine feste Nahrung mehr bekommen. Es erleichterte ihn, dass ein reißerischer Artikel in einer billigen Zeitung ihr den Appetit nicht verderben konnte. Mut bewunderte er über die Maßen, und sie bewies verdammt viel Mut, indem sie ihr Frühstück vor den neugierigen Augen der anderen Gäste einnahm. Navarre war beeindruckt. Nur wenige Frauen hätten in einer solch unangenehmen Situation so viel Mumm gehabt.
„Ich muss packen“, erklärte sie prosaisch, nachdem sie ihre zweite Tasse Kaffee geleert hatte.
In der Stimmung, in der Tawny gerade war, dauerte das Packen nicht lang. Als Navarre den Raum betrat, stellte sie gerade den Koffer auf dem Boden ab.
„Wir sollten reden, bevor der Hubschrauber kommt“, sagte er. „Die nächsten paar Tage verbringen wir in einem anderen Hotel. Danach werde ich dich in dein gewohntes Leben zurückkehren lassen. Sobald wir in London sind, werde ich geschäftlich sehr stark eingespannt sein.“
Tawny sagte nichts. Ein anderes Hotel – Gott sei Dank nicht das, in dem sie zuvor gearbeitet hatte. Es war klar, dass ihr Arrangement bald beendet sein würde. So viel zu seiner Aussage der vergangenen Nacht, dass ihr Liebesspiel ein Anfang sein würde und kein Ende. Offensichtlich war sie auf einen der ältesten Sprüche der Welt hereingefallen.
Navarre musterte sie mit kühlem Blick. „Ich hoffe, es wird sich nicht herausstellen, dass du schwanger bist.“
Tawny versteifte sich. „Das hoffe ich auch, zumal es mein Leben wäre, dass dadurch völlig auf den Kopf gestellt würde.“
„Es würde unser beider Leben auf den Kopf stellen“, widersprach er grimmig.
Sie verkniff es sich, diese Aussage zu kommentieren. Immerhin hatte ihre eigene Geburt wenig am Leben ihres Vaters verändert. Monty Blake hatte nie auch nur das geringste Interesse an ihr gezeigt und lediglich den gesetzlichen Mindestunterhalt für sie gezahlt. Wenn sich ihre älteren Halbschwestern nicht entschlossen hätten, nach ihr zu forschen, dann hätte Tawny die beiden nie kennengelernt.
An diesem Abend fand sich Tawny einmal mehr in einer Hotelsuite untergebracht. Nur Elise leistete ihr Gesellschaft.
Während sich der Wagen durch den Londoner Verkehr quälte, hatte Navarre mit irgendjemandem auf Italienisch telefoniert. Sobald sie in dem Hotel eingecheckt hatten, war er wieder ausgegangen. Diesmal stand ihnen allerdings eine Suite mit zwei Schlafzimmern zur Verfügung. Tawny musste also genauso wenig auf der Couch schlafen, wie von ihr erwartet wurde, dass sie sein Bett teilte. Ihre kleine Affäre war vorbei.
Während Elise eine Fernsehsendung schaute, verarbeitete Tawny ihre aufgewühlten Emotionen mithilfe ihres Zeichenblocks: Sie fertigte kleine Karikaturen ihrer schwankenden Beziehung zu Navarre an.
Gegen Mitternacht kehrte er zurück und wechselte ein paar Worte mit Elise, die müde vom Sofa aufstand, den Fernseher ausschaltete und ihm eine Gute Nacht wünschte. Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, griff Navarre nach Tawnys Zeichenblock. „Der Franzose“ stand auf der ersten Seite, und schon sah er sich seinem eigenen Spiegelbild gegenüber, wie er lüstern die Stylistin anglotzte, während er vorgab, Tawny in ihrem Abendkleid zu bewundern. Er blätterte ihre Zeichnungen durch und musste lachen, denn sie hatte wirklich Sinn für Humor.
Seine Gleichgültigkeit gegenüber der Zeitungsstory dieses Morgens hatte sie ebenfalls eingefangen. Anstatt sich darüber aufzuregen, hatte sie ihn gezeichnet, wie er stattdessen den Kopf darüber schüttelte, wie viel frittiertes Essen die Engländer zum Frühstück zu sich nahmen. Hielt sie ihn tatsächlich für derart unsensibel?
„Oh, du bist zurück …“, murmelte Tawny, als sie, nur in ihren Pyjama gekleidet, aus dem Schlafzimmer kam. Sofort richtete sich sein Blick auf ihre festen Brüste und die zarten Brustwarzen, die sich unter der Baumwolle deutlich abzeichneten. „Ich habe Durst.“
Er sah zu, wie sie verschlafen auf die kleine Küchenecke zustapfte, den Hahn aufdrehte und sich
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