Julia Extra Band 366
ihre Kleidung. Aber die Vertrautheit ging nicht übers Schlafzimmer hinaus, oder wo sonst sie einander liebten. Der Sex war unglaublich, wunderbar. Lucy liebte die sinnlichen Freuden, die sie mit Santiago erleben durfte.
Allerdings änderte dies nichts an der Tatsache, dass sie keine Frau für eine emotionslose Affäre war. Bald war ihr nämlich klar geworden: Sie konnte sich Santiago nur völlig hingeben, weil aus leidenschaftlichem Verlangen nach ihm Liebe geworden war.
Er war ihre große Liebe, und deshalb fühlte Lucy sich so verletzlich wie noch nie in ihrem Leben. Selbst auf dem Höhepunkt des Skandals war sie imstande gewesen, sachlich zu bleiben und kühl und beherrscht auf alle Kränkungen zu reagieren. Bei Santiago war das unmöglich.
„Du lädst mich zu dieser Hochzeit ein. Heute.“ Santiago wich ihrem Blick aus.
Tja, Lucy, du wolltest es wissen.
Leider hatte sie nicht geahnt, dass es dermaßen wehtun würde! Sie hatte damit gerechnet, dass er es so aufnehmen könnte. Jetzt musste sie damit leben.
„Kein Problem, mach dir deswegen keine Gedanken. Ich weiß, dass es plötzlich kommt, und du bist sehr beschäftigt.“ Na bitte, sie war ruhig geblieben und hatte ihm einen Ausweg geboten. Was sehr erwachsen und zivilisiert von ihr war.
Sie fühlte sich nicht erwachsen.
„Ich habe nicht Nein gesagt.“
Aber du wirst es tun, dachte Lucy.
Santiago blickte auf seine Armbanduhr. „Gib mir fünfzehn Minuten.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.
Er hatte sich schnell gefangen, doch Lucy hatte gemerkt, dass er einen Schreck bekommen hatte. Die demütigende Erinnerung daran war schwer auszulöschen. Wahrscheinlich brauchte Santiago fünfzehn Minuten, um an einer Ausrede zu feilen.
Lucy sah keinen Grund, zu warten und sie sich anzuhören.
13. KAPITEL
Während sie die dritte Runde auf dem überfüllten Parkplatz des Flughafens drehte, entdeckte Lucy eine Lücke. Erleichtert fuhr sie ein Stück vor, um rückwärts einzuparken. Doch da sauste der Fahrer hinter ihr sauber in die Lücke.
Lucy sah ihn aussteigen und sprang wütend aus dem Auto. Sie wollte protestieren, was sie dann aber unterließ. Der Mann zuckte die Schultern. Auf Parkplätzen und in der Liebe ist alles erlaubt, sollte das wohl bedeuten.
Als sie wieder einsteigen wollte, bemerkte Lucy, dass sich hinter ihrem Auto eine Schlange gebildet hatte und die Fahrer alle hupten. Was soll’s? dachte sie, nahm die Reisetasche mit dem Outfit für die Hochzeit vom Beifahrersitz und ging einfach weg.
Ein Typ in Uniform rannte ihr nach und rief atemlos, dass ihr Fahrzeug abgeschleppt würde, wenn sie es falsch geparkt stehen ließ.
Lucy drehte sich um, zuckte nun selbst die Schultern und warf dem verblüfften Beamten den Schlüssel zu. „Von mir aus können Sie es gern abstellen!“, schrie sie ihm zu, bevor sie selbstbewusst auf den Terminal zusteuerte.
Was würde schlimmstenfalls passieren? Dass sie verhaftet wurde? Wahrscheinlich könnten sie es tun, aber nur, wenn sie mich erwischen, dachte Lucy und rannte los. Sie würde zu dieser Hochzeit fliegen, auch wenn ihr das eine Vorstrafe bescherte.
Niemand hielt sie auf, und als sie den Terminal erreichte, hatte sie sogar noch ein paar Minuten Zeit. Nicht viele, zugegeben, aber sie hatte es geschafft.
Jetzt, da der Druck weg war, ließ die Wut nach, die sie so übereilt hatte aufbrechen lassen. Plötzlich war Lucy fix und fertig. Vielleicht fing sie deshalb an zu weinen, als sie in der Schlange nur noch einen Passagier vor sich hatte und ausgerechnet der Schriftzug aufleuchtete, der sie noch aufhalten konnte.
„Tut mir leid … tut mir leid“, entschuldigte sie sich bei jedem, der sie anstarrte, während sie die peinlich lauten Schluchzer zu unterdrücken versuchte. „Der Flug darf keine Verspätung haben“, sagte sie, als sie an der Reihe war.
Die Frau lächelte routiniert. „Leider …“
„Nein, Sie verstehen nicht. Ich muss zu dieser Hochzeit …“ Lucy verstummte. Die Frau hörte nicht zu, sie blickte bereits den nächsten Passagier an. Andere Leute musterten sie noch immer neugierig. Vermutlich fragten sie sich, wer diese Verrückte sei. Oder war sie erkannt worden?
Lucy schob sich den Riemen der Reisetasche höher auf die Schulter und reckte das Kinn. Lass sie doch, sagte sie sich. Unter dem Vorwand, ein einfaches Leben führen zu wollen, hatte sie sich in den vergangenen vier Jahren von der Welt zurückgezogen. Santiago
Weitere Kostenlose Bücher