Julia Extra Band 366
Freundchen! besagte ihr Blick. Na ja, es war einen Versuch wert gewesen. „Sind wir wieder bei den Kussregeln?“
Sophie nickte. „Ja, absolut.“
„Dir die Hand aufs Knie zu legen ist wohl auch tabu?“, fragte Dan. Zwar sah sie ihn finster an, aber ihm entging nicht, dass sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln verzogen. „Na bitte. Wir flüstern und scherzen miteinander. Wie zwei frisch Verliebte.“
„Vielleicht solltest du mich küssen“, sagte sie so sachlich, als würde sie übers Wetter sprechen. „Auf die Wange natürlich.“
„Natürlich.“ Von ihm aus konnte Sophie ruhig behaupten, dass es hier nur um ihr Projekt ging. Während sie geredet hatten, waren sie sich noch näher gekommen, von einer starken Anziehungskraft zueinander hingezogen. Er müsste nur den Kopf etwas zur Seite neigen, und seine Lippen würden ihre Haut berühren.
Aber Dan ließ sich Zeit. Er atmete Sophies dezenten Duft ein. Er nahm den Moment wahr, in dem die Maske der Projektleiterin fiel und ihr die Röte ins Gesicht stieg.
Dann, endlich, küsste er sie.
Es war nicht genug. Als er sie zuletzt auf die Wange geküsst hatte, war es nicht so schlimm gewesen wie jetzt. Aber jetzt wusste er genau, was ihm entging.
Er setzte sich wieder gerade hin. Räusperte sich. „Wie war das?“
„Sehr überzeugend“, sagte Sophie, und ihre Stimme klang nur ein kleines bisschen unsicher. „Bestimmt ahnt niemand, dass wir nur so tun.“
Er nickte. Dieses ganze Theater wäre viel leichter, wenn es sich nicht so echt anfühlen würde.
„Ich muss euch zwei Turteltauben leider stören!“
„Soll ich dir in der Küche helfen, Emma?“, fragte Sophie hoffnungsvoll. Abstand von Dan war genau das, was sie brauchte. Schon zweimal war sie unvorsichtig geworden. Als er ihre Hand gehalten hatte, und gerade eben bei dem Kuss. Beides war unnötig gewesen. Wenn sie es nur auf das Projekt schob, belog sie sich selbst.
„Sei nicht albern. Du bist ein Gast. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass es Zeit wird, die Stimmbänder aufzuwärmen!“
„Sophie singt?“, fragte Dan interessiert.
„Nein“, sagte sie schnell.
„Aber ja!“, sagte Emma gleichzeitig. „Brad hat mir zum Geburtstag eine Karaokeanlage gekauft!“ Begeistert tänzelte sie davon.
„Ich brauche einen Drink“, murmelte Sophie entsetzt und stand auf.
Aber auch nach einem Glas Wein fühlte sie sich nicht besser. Sie kehrte zu ihrem Platz in der Ecke von Emmas großer Terrasse zurück.
„Das muss ich sehen“, neckte Dan sie belustigt. „Ich hätte nie gedacht, dass du der Karaoketyp bist.“
„Bin ich nicht. Emma spricht von einer kurzen Zeit in meiner überhaupt nicht wilden Jugend, als ich mithilfe von reichlich Alkohol einige fragwürdige Entscheidungen getroffen habe.“
„Zum Beispiel vor Publikum zu singen?“
„Leider ja. Aber ich war immer nur Backgroundsängerin. Karen und Emma waren abwechselnd Leadsängerin.“ Ihre beiden alten Freundinnen bauten die Anlage unter einer Terrassenlampe auf, die wie ein Spotlight wirkte. Ein Spotlight, in dem zu stehen Sophie nicht die Absicht hatte.
Unglücklicherweise fragte niemand nach ihrer Meinung, und so trat sie kurz darauf mit ihrer grässlichen Singstimme als Emmas – sehr leise – Backgroundsängerin auf.
„Gesangsunterricht war wohl nie eine Aufgabe auf einer deiner Listen?“, fragte Dan, nachdem sich Sophie wieder auf ihren Platz gesetzt hatte.
„Sehr witzig. Ich habe dich gewarnt.“
Er lächelte bloß frech.
Im Lauf des Abends wurde fast jeder Gast ins Rampenlicht gezerrt, und viele Auftritte gingen so schief, dass sich Sophie nicht länger für ihren schämte. Die Terrasse wurde zur Tanzfläche, und die Leute tanzten zu allem, von Heavy Metal bis zu romantischen Popsongs.
Dan und Sophie tanzten nicht. Noch mehr Berührungen wollte sie nicht riskieren. Wenn plötzlich ein langsamer Song kommen und Dan sie an sich ziehen würde wie am Strand, wäre es mit ihrer Selbstbeherrschung wahrscheinlich vorbei.
Als tatsächlich etwas Langsames gespielt wurde, standen Dan und Sophie am Rand der Terrasse. Das Paar, mit dem sie sich unterhalten hatten, hatte sich bei den ersten bekannten Takten dem Meer der sich wiegenden Körper angeschlossen.
Karens Verlobter Ben war am Mikrofon, aber schon bevor er das erste Wort gesungen hatte, bewegten sich Sophies Füße wie von selbst. Sie konnte nichts dagegen tun, es war die Folge des monatelangen Übens. Rick und sie hatten im Tanzstudio in der Nähe ihres
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