Julia Extra Band 366
klar, dass ich für die Führungsspitze bestimmt war“, sagte er nüchtern. „Mit weniger würde ich mich nicht zufriedengeben. Bald wurde Bradfords Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Doch Bradford will die Kontrolle über sein Familienunternehmen innerhalb der Familie behalten.“ Er warf ihr einen kühlen Blick zu.
„Also war Larissa nichts anderes als ein Druckmittel bei Ihren Verhandlungen.“ Becca versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen. Wie hatte sie sich jemals einbilden können, dass ein Mann wie er sich verlieben könnte? Dass er anders war als ihr Onkel? Er ging aufs Ganze, genau wie Bradford es tat. Wie hatte sie nur vergessen können, warum sie hier war?
„Sie haben mich schon wieder falsch interpretiert“, brachte er in der ihm eigenen Art hervor, die sie erzittern ließ. Sie nannte es Furcht – obgleich sie es besser wissen musste. „Nicht sie war mein Druckmittel in den Verhandlungen. Ich war ihres.“
„Nicht ganz zufällig bin ich bei Whitney Media gelandet“, hörte Theo sich sagen – irritiert über die Tatsache, dass er dieses Thema überhaupt anschnitt. Es lag wohl an Beccas Blick, mit dem sie ihn ansah, als ob er ihr eine Erklärung schuldete. Doch weshalb gab er ihr nach? „Ich habe darum gekämpft, Tag für Tag.“
„Sie wollen mir erklären, dass Sie nicht auf dem Rücken der Unterdrückten an die Spitze gekommen sind?“, fragte Becca. „Ich habe immer gedacht, das sei der erste Schritt zum Medienmogul.“
„Ich kann Ihren Ärger verstehen“, gab Theo zu. „Doch Sie kennen meinen Hintergrund nicht. Meine Kindheit war schlimmer, als Sie es sich je vorstellen können.“
„Sollen wir Vergleiche anstellen?“, fragte sie beißend. „Wer mehr gelitten hat?“ Sie blickte um sich. „Einer von uns beiden hat die bessere Chance gehabt, davon lasse ich mich nicht abbringen.“
„Es geht nicht um einen Wettbewerb“, sagte er eindringlich und neigte den Kopf. „Doch wenn es einer wäre, würde ich gewinnen.“
Er musste an die drückende Hitze denken, an die ständige Angst. Die düsteren Nächte in Florida, die er mit seiner Familie im Dunkeln verbracht hatte, dicht aneinandergedrängt aus Angst vor den streunenden Banden, den Schüssen, der immerwährenden Gewalt der Straße.
„Dabei hatte ich vermutet, Sie wären einer von ihnen.“ Ihre Blicke trafen sich, und Becca zuckte mit den Achseln. „Privatschule, den Sommer am Kap, Rugby und einen Golden Retriever. Das ganze Programm.“ Er hätte sie für schnoddrig gehalten, hätte er nicht ihren verletzten Blick bemerkt, den sie im selben Augenblick zu verstecken versuchte.
Sie war ihm erstaunlich ähnlich, diese Frau. Was er mit aller Macht ignorieren musste.
„Das stimmt nicht ganz.“ Sein Lächeln wirkte verhalten. „Mein Vater ist unerwartet gestorben und meine Mutter war plötzlich auf sich selbst gestellt. Sie musste ganz allein für uns sorgen. Seine stolze kubanische Familie hat meinem Vater den Rücken gekehrt, als er eine griechisch-zypriotische Immigrantin geheiratet hat.“
Sein Ton verriet, wie sehr er unter dieser Situation gelitten hatte. Wann hatte er zuletzt darüber gesprochen? Hatte er überhaupt einmal davon erzählt? „Wir hatten nichts. Kein Geld. Keine Hoffnung.“
Er musste an seinen älteren Bruder Luis denken, der auf der Straße niedergestreckt worden war. Es war ein Racheakt gewesen. Das Gesicht seiner Mutter erschien vor seinem geistigen Auge, schmerzverzerrt, erlöschende Glut in den Augen. Nicht du, Theo , hatte sie verbittert geflüstert. Er war gerade erst elf Jahre alt gewesen. Du wirst hier nicht sterben. Du wirst frei sein.
Sie sollte recht behalten.
„Als ich noch jung war, habe ich die Whitneys einmal getroffen“, sagte er, plötzlich unfähig, Becca in die Augen zu schauen. Er wandte sich den hohen Fenstern zu, doch den spektakulären Ausblick auf Manhattan konnte er nicht genießen. Stattdessen tauchte vor seinem inneren Auge eine Straße außerhalb des exklusiven Restaurant-Viertels in South Beach auf, eine Straße, erfüllt von lateinamerikanischer Musik, die vor Menschen wimmelte. „Bradford und seine Frau besuchten Miami mit ihrer kleinen Tochter. Sie wird damals noch nicht einmal zehn Jahre alt gewesen sein. Ich parkte Fahrzeuge ein und hielt die Familie für Filmstars. Das Mädchen sah wie eine kleine Prinzessin aus. Und das, was sie hatten, wollte ich auch besitzen.“ Er lachte kurz auf. „Erst Jahre später habe ich erfahren, wer diese perfekten Menschen
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