Julia Extra Band 366
ließ. „Es ist eine Sache, sich Informationen zu beschaffen, um sich ein Bild von einem Menschen zu machen. Eine andere ist es, sich über Dinge auszulassen, von denen man nichts versteht.“
„Was ist da zu verstehen?“, fragte sie leichthin zurück, als ob ihr der finstere Ausdruck in seinen Augen nicht bewusst wäre. „Sie beide sind verlobt, leben aber nicht zusammen.“ Sie zuckte die Achseln. „Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass Larissa sich nicht für ihre Ehe aufbewahrt.“
Becca hatte das Bedürfnis, ihn zu spüren, mehr von ihm zu erfahren, ihn besser kennenzulernen. Aber nicht unter diesen Umständen. Nicht, wenn seine Gedanken ständig bei einer anderen waren. Wenigstens dieses Maß an Stolz war ihr geblieben.
Für den Augenblick , flüsterte eine verräterische Stimme in ihrem Inneren.
„Ich habe nie behauptet, dass es eine konventionelle Beziehung war“, sagte er kühl. „Wie hätte das funktionieren sollen? Aber Larissa war auch nicht das Monster, für das Sie sie zu halten scheinen!“
Becca konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken. Sie sah ihr Ebenbild in dem großen Spiegel, der die gesamte Wand einnahm. Es ähnelte auf alarmierende Art den vielen Fotos, die ihr über die Jahre von Larissa in die Hände gefallen waren. Larissa mit nichts anderem im Sinn als der nächsten Vernissage, der nächsten Party.
„Ich habe mich unzählige Male mit Larissas Leben beschäftigt“, sagte Becca jetzt, darum bemüht, ruhig zu klingen. „Ich habe mich gefragt, was ich an ihrer Stelle mit dem ganzen Geld anfangen würde. Wie intensiv ich die Urlaube genießen könnte und die Kleider und die Partys, die sie so sehr langweilten.“
„Ich denke oft an die Bemerkung, die Sie über Bradford Whitney gemacht haben, Becca. Er sei der allerletzte Mensch auf Erden, den man sich als Vater vorstellen könnte, so haben Sie es einmal beschrieben“, warf Theo ein. „Er trieb Larissas arme, zerbrechliche Mutter in einen Nervenzusammenbruch. Sie hat ihr Haus in Frankreich nie mehr verlassen.“
„Trotzdem hatte Larissa jede Chance der Welt“, gab Becca zurück. Ihre Wangen erhitzten sich, weil sie spürte, dass sie zu viel redete. „Davon können die meisten Menschen nur träumen!“
„Ja, sie verfügte über Geld“, meinte Theo kopfschüttelnd. „Aber Geld ist nicht alles im Leben.“
„Wie können Sie angesichts Ihrer Herkunft mit so jemandem wie Larissa überhaupt Mitleid haben?“ Becca konnte ihren Zorn nicht zurückhalten.
„Reichtum ist nicht gleichbedeutend mit Glück“, begann er wieder.
„Aber es heißt über finanzielle Freiheit zu verfügen“, rief Becca wütend aus. „Sie hatte alle Möglichkeiten der Welt.“
„Ich habe nie eine traurigere Frau getroffen.“ Wieder traf sie sein Blick und brachte ihr Herz zum Stocken, um es gleich danach rasen zu lassen.
Als ob er ihr einen Schlag versetzt hätte.
„Meinen Sie damit emotionale Schmerzen?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Und doch brannte ihre Kehle. „Ist Ihnen eigentlich bewusst, wer die Zeit hat für solche emotionalen Schmerzen? Das sind nur Frauen wie Larissa, die sich um nichts anderes sorgen müssen als um sich selbst. Niemals darum, wo ihr Essen herkommt. Wie sie die nächste Miete bezahlen kann.“
„Sie kennen sie nicht“, sagte er mit belegter Stimme.
„Ich glaube nicht, dass Sie sie kennen“, hielt sie ihm entgegen. „Sie haben nur Entschuldigungen für sie und Erklärungen – Sie haben mich sogar dazu gebracht, mich für sie auszugeben – und obwohl Sie von ihr auf mehr als eine Art aufs Glatteis geführt wurden, verteidigen Sie Larissa noch immer.“
„Ich werde mir das nicht weiter anhören …“
„Ich sollte mich über Larissa schlau machen. Das habe ich getan.“ Ihre Worte schossen wie Pfeile aus ihr heraus. Sie wollte ihn damit treffen. Ihm wehtun. Er sollte endlich aufwachen und der Wahrheit ins Auge sehen. „Die Frau, die Sie im Herzen tragen und die sich in Ihrem Kopf festgesetzt hat, existiert nicht, Theo. Sie hat nie existiert.“
„Sie vergessen sich.“ Seine Stimme wäre durch Stahl gedrungen. Gänsehaut bildete sich in ihrem Nacken und auf ihren Armen. Ihr wurde bewusst, dass sie zu weit gegangen war.
„Theo …“ Doch er hörte ihr nicht mehr zu.
„ Sie sind der Geist hier in diesem Raum.“ Wieder sein tödlicher Ton. Sie musste sich am nächsten Stuhl festklammern. „Sie sind hier diejenige, die eine Rolle spielt.“
Sein Gesicht war finster und
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