Julia Extra Band 367
dass Sally Produkte aus dem Lager entwendet und im Internet angeboten hatte.“ Erin ließ den Blick nicht von der Frau, mit der sie einst so vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte. „Sally, ich weiß, dass ich damals Stillschweigen gelobt habe, aber manchmal muss man ein Versprechen eben brechen, damit die Wahrheit ans Licht kommt.“
„Sie haben mich bestohlen?“, fragte Christo seine langjährige Angestellte ungläubig.
Tränen liefen über Sallys Wangen, und sie wischte sie mit einem Taschentuch weg.
„Ich garantiere Ihnen, dass alles, was Sie hier sagen, unter uns bleibt, und ich weder jetzt noch in Zukunft Klage gegen Sie erheben werde.“ Christo sprang vom Stuhl auf und schritt durchs Zimmer. Dabei strahlte er eine Kraft aus, die keinen Widerspruch duldete. „Ich bedaure sehr, dass Sie damals nicht den Mut gefunden haben, mir die Wahrheit zu sagen, als Ihre Machenschaften ans Licht kamen. Aber um Erins willen müssen Sie jetzt damit herausrücken.“
„Keine Klage?“, wiederholte Sally verunsichert.
„Keine Klage! Aber ich will endlich die Wahrheit wissen.“
„In einer Mittagspause kurz vor Erins Kündigung suchte mich ein Mann auf“, berichtete Sally leise. „Er sagte, er sei Privatdetektiv, und bot mir eine beträchtliche Summe an, wenn ich ihm Informationen lieferte, die Erin in Misskredit bringen würden.“
„Wie bitte?“ Christo explodierte förmlich.
„Sein Name war Will Grimes, und er arbeitete für eine kleine Detektei. Mehr weiß ich nicht. Zu Anfang lehnte ich ab. Schließlich gab es an Erins Verhalten absolut nichts auszusetzen“, erklärte Sally zerknirscht. „Erin hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, sondern immer hart gearbeitet. Als sie dann von heute auf morgen kündigte, erkannte ich, wie ich meine Probleme mit einem Schlag loswerden konnte.“
„Will Grimes“, wiederholte Christo.
„Ich steckte in weit größeren finanziellen Schwierigkeiten, als ich damals zugegeben habe, Erin“, gestand Sally. „Ich hatte die Bücher gefälscht …“
„Die Honorare für Physiotherapeuten, die es gar nicht gab?“, fuhr Christo ihr ins Wort.
„Ja. Als Sie die Bücher dann prüfen ließen, geriet ich in Panik“, gestand Sally unter Tränen.
„Also beschlossen Sie, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben?“, fragte Erin entgeistert.
„Ich wusste, dass es falsch war, aber ich hatte mich zu sehr in die Sache verstrickt“, sagte Sally verzweifelt. „Als die Wirtschaftsprüfer dann auf die Unregelmäßigkeiten stießen, richtete ich es so ein, dass Erin als die Schuldige dastand. Ich wusste, dass Mr Donakis Sie nicht vor Gericht bringen würde …“ Sallys Stimme war nur noch ein Flüstern. „Es tut mir leid, Erin. Sie waren so nett zu mir und haben das nicht verdient, was ich Ihnen angetan habe.“
Erin nickte und versuchte sogar ein Lächeln. Es gelang ihr nicht. Schließlich hatten die Verdächtigungen, die die ehemalige Kollegin in die Welt gesetzt hatte, Christos Meinung von Erin negativ beeinflusst. Das Geständnis der älteren Frau hatte sie schwer getroffen, da sie Sally immer sehr gemocht und es eigentlich bereut hatte, dass der Kontakt zu ihr abgebrochen war. Erin warf einen verstohlenen Seitenblick auf Christo. Er sah mitgenommen aus.
Auf dem Weg nach draußen wandte sich Christo noch einmal an Sally. „Haben Sie die Belohnung von dem Privatdetektiv kassiert und ihm die angeblichen Beweise geliefert, die Erin in Misskredit gebracht haben?“
Sally zuckte zusammen und nickte langsam. „Damit konnte ich meine Schulden begleichen und den Neuanfang starten.“
Sallys Selbstsucht widerte Erin an, und sie presste die Lippen aufeinander.
Auch Christo musste sich zusammenreißen. Also hatte Erin mit ihrem scheinbar paranoiden Verdacht, jemand hätte ihren Ruf absichtlich geschädigt, doch recht gehabt. Obwohl Christo sich selten irrte, hatte er in diesem Fall ein folgenschweres Fehlurteil gefällt. Jetzt musste er unbedingt herausfinden, wer den Privatdetektiv angeheuert hatte.
9. KAPITEL
Appetitlos stocherte Erin in dem köstlichen Essen, das an Bord von Christos Privatflugzeug serviert wurde. Sie war immer noch wütend, dass Sally so glimpflich davongekommen war. Ihre ehemalige Kollegin hatte Erins Ruf in den Schmutz gezogen, um den eigenen zu schützen. Da Erin ihr Leben lang hart gearbeitet und sich nie etwas zuschulden hatte kommen lassen, empörte es sie maßlos, dass Sally den Verdacht auf sie gelenkt hatte, um ihre eigenen Übeltaten
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