Julia Extra Band 367
einziges Kind. Darcys Mutter war erst neunzehn gewesen, als Reith sie heiratete – und schwanger. Mit zwanzig schenkte sie Darcy das Leben und verstarb kurz darauf an Komplikationen, mit denen keiner gerechnet hatte.
Reith quälte sich deswegen noch immer mit Selbstvorwürfen. Er hatte es sich damals zu leicht gemacht, hatte nicht mit der Naivität eines jungen, unaufgeklärten Landmädchens gerechnet: Sie hatte die Pille nur sehr unregelmäßig genommen, weil ihr übel davon wurde. Noch heute fühlte Reith sich deswegen für ihren Tod verantwortlich.
Und jetzt? Jetzt warf er sich vor, seiner Aufgabe als Vater nicht gerecht zu werden. Bis zu ihrem Tod vor einem halben Jahr war Darcy bei seiner Großmutter aufgewachsen, seitdem besuchte er ein Internat.
Reith wollte es einfach nicht gelingen, eine Beziehung zu seinem Sohn aufzubauen. Wenn Darcy in den Ferien bei ihm weilte, war er höflich und folgsam – der ideale Gast im eigenen Elternhaus. Darcys auffällige Ähnlichkeit mit seiner Mutter machte die Sache für Reith auch nicht gerade leichter …
Er schob die Hände in die Hosentaschen und atmete tief durch. Wenn sich eine Familie doch so einfach führen ließe wie ein Unternehmen!
Unwillkürlich musste er wieder an das Telefongespräch mit Frank Theron denken. Was hatte dieser zu ihm gesagt? Nicht nur seine Familie sei ihm wichtig, sondern auch sein Stolz.
Reith lächelte zynisch. Frank Theron wäre besser beraten, seinen Stolz zu vergessen und um Frau und Kinder zu kämpfen.
1. KAPITEL
„Sind Sie denn völlig verrückt geworden?“
Wutentbrannt sah der Fremde Kimberley an. Immer noch wirbelte der Staub durch die Luft, den sein riskantes Bremsmanöver aufgewirbelt hatte. Durch ihre eigenwillige Art, ihn zum Anhalten zu bringen, hätte es beinahe einen Unfall gegeben. Sein metallicfarbener Geländewagen der Luxusklasse war nur knapp neben einem riesigen Baum zum Stehen gekommen.
„Es tut mir schrecklich leid“, entschuldigte sie sich hastig, „aber ich habe es wirklich eilig. Ich heiße Kimberley Theron, und ich habe keinen Tropfen Benzin mehr im Tank. Könnten Sie mir vielleicht helfen?“
„Kimberley Theron?“, wiederholte der Fremde, als habe er falsch verstanden.
„Ja. Vielleicht haben Sie den Namen schon einmal gehört, er ist ziemlich bekannt – mein Nachname, meine ich.“
Erst jetzt fiel Kimberley auf, wie attraktiv dieser Mann war. Groß, dunkelhaarig und mit markanten Gesichtszügen. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er trug Cargohosen und ein graues T-Shirt, war tief gebräunt und schien ausgesprochen sportlich zu sein – das jedenfalls ließen Haltung und Figur vermuten.
„Kimberley Theron“, wiederholte er und musterte erst sie, dann ihr silbernes Cabrio mit den champagnerfarbenen Ledersitzen. „Meine liebe Miss Theron!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Hat Sie nie jemand darüber aufgeklärt, welch katastrophale Folgen Ihr Handeln haben kann? Am Straßenrand zu tänzeln, den Rock zu schürzen und Ihre Beine zu zeigen, ist ein Spiel mit dem Feuer.“
Sie zog die Stirn kraus. „Jetzt, da Sie es erwähnen – das hat mir tatsächlich bisher noch niemand erklärt!“ Sie blickte auf ihre Beine, die mittlerweile wieder züchtig unter dem wadenlangen Jeansrock versteckt waren. Dann hob sie den Kopf, ein Lächeln in den strahlend blauen Augen. „Entschuldigung, aber die Situation entbehrt nicht einer gewissen Komik. Es schien mir die sicherste Methode, Sie auch wirklich zum Halten zu bringen. Wie Sie sehen, habe ich mich nicht getäuscht.“
Der Fremde schien ihren Sinn für Humor nicht zu teilen. Kopfschüttelnd sah er sich um. Rechts und links der Straße nur verdörrtes Weideland, von menschlicher Besiedlung oder anderen Autos keine Spur. Es herrschte absolute Stille, und die Sonne brannte erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel.
„Leider kann ich Ihnen nicht mit Sprit aushelfen. Im Gegensatz zu Ihnen tanke ich nämlich Diesel und nicht Benzin. Wo wollen Sie hin?“
„Bunbury. Könnten Sie mich vielleicht mitnehmen?“
Wieder sah er sie an. Kimberley mochte Anfang zwanzig sein und war eine ausgesprochene Schönheit. Ihr rotgoldenes Haar stand in atemberaubendem Gegensatz zu den blauen Augen, neben denen jeder Saphir verblassen musste. Ihre Figur war perfekt – die Beine geradezu sensationell.
Ihre Unbekümmertheit gefiel ihm. Obwohl er ihretwegen beinahe sein Auto zu Schrott gefahren hätte, konnte er ihr nicht böse sein. Dennoch, Kimberley war
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