Julia Extra Band 368
seine Handflächen. „Ich dachte, das hätte ich. Obwohl …“ Er wandte das Gesicht zum Fenster. „Eigentlich wusste ich, dass es nicht so war. Aber zumindest hatte ich es unter Kontrolle. Diese beiden Flashbacks, die Sie miterlebt haben … Es waren die ersten beiden seit über einem Jahr.“
Katherine lachte leise, aber es klang eher gequält. „Also bin ich der Auslöser?“
Er richtete den dunklen Blick direkt auf ihre Augen. „Sie machen es mir schwer, mich zu konzentrieren. Und doch …“ Er wandte den Blick wieder ab. „Ihre Stimme, Ihr Gesicht … haben mich wieder zurückgebracht.“
Sie spürte es wie eine unbezähmbare Welle in sich aufsteigen, dieses starke Gefühl, die Verbindung zwischen ihnen … „Gut. Dann werden wir uns daran festhalten.“ Sie legte ihre Hand auf den freien Platz zwischen ihnen. „Halten Sie sich an mir fest, wenn Sie merken, dass es Sie überfällt.“
Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er auf ihre Finger, seine Miene drückte pure männliche Arroganz aus. Es war eine willkommene Abwechslung zu dem gequälten Ausdruck in seinen Augen, als er von seiner Familie gesprochen hatte.
„Ich werde es unterdrücken.“
„Wenn es so einfach wäre, meinen Sie nicht, Sie hätten es dann schon früher getan?“
„Es sollte aber so einfach sein“, erwiderte er. „Ich sollte stärker sein.“
„Stärker? Wie sollen Sie heilen, wenn Sie dieses Gewicht mit sich herumtragen? Sie haben überlebt, Zahir, und regieren Ihr Land auf eine Art, die Malik und Ihren Vater stolz machen würde.“
„Die beiden waren für dieses Leben gemacht … Männer des Volkes, wahre Diplomaten.“ Er lachte hart auf. „Wir beide wissen, dass ich alles andere als ein Diplomat bin.“
„Ihr Volk ist Ihnen wichtig. Nur weil Sie nicht ständig in der Öffentlichkeit zu sehen sind, heißt das nicht, dass Sie Ihr Land nicht lieben. Und nur weil es Ihnen nicht so leichtfällt, bedeutet das nicht, dass Sie das Land nicht ebenso gut regieren, wie Malik es getan hätte.“
„Warum wollen Sie mich eigentlich so unbedingt heilen, latifa ?“
Da war es wieder. Schönheit. Seine Frage klang scharf, der Ton voller Sarkasmus, doch Katherine konzentrierte sich auf das eine Wort. Oft war sie als schön bezeichnet worden, vor allem von der Presse. Aber die Presse nannte sie schon am nächsten Tag farblos, wenn der Ton ihres Kostüms angeblich nicht zu ihrem Teint passte. Es hatte ihr nie etwas bedeutet. Wenn eine Beleidigung verlogen sein konnte, dann galt das ebenso für Komplimente.
Wenn ihr Vater sie schön nannte, dann war es ernst gemeint. Und doch hatte sie sich immer darüber geärgert. Weil es ihren Wert als Mensch auf diese eine Eigenschaft reduzierte, für die sie nicht einmal verantwortlich war.
Doch jetzt, als sie das Wort aus Zahirs Mund hörte, lief ihr aus einem unerfindlichen Grund ein angenehmes Prickeln durch den ganzen Körper. Wärme breitete sich in ihr aus und sammelte sich tief in ihrem Bauch.
Sie blinzelte hastig und schaute ihm in die dunklen Augen. „Weil … Ich muss es tun. Wegen der Hochzeit. Wir müssen Stärke zeigen.“
Platte Worte, noch dazu nur ein Teil der Wahrheit. Inzwischen gab es so viele neue Gründe, nicht zuletzt deswegen, weil sie so viele neue Gefühle empfand. Nur wusste sie nicht, was sie sonst sagen könnte. Sie wusste auch nicht, wie sie das, was sie wollte, von dem trennen sollte, was sie als ihre Pflicht erachtete.
Bisher hatte sie nur manchmal, in den Momenten, wenn sie das Licht am Ende des Tunnels erahnte, ein berauschendes Gefühl von Freiheit empfunden. Aber jetzt, hier zusammen mit Zahir, trotz all der Trauer und der drückenden Spannung, fühlte sie einen Frieden in sich, den sie noch nicht kannte.
Der Wagen fuhr auf immer belebteren Straßen. Katherine spürte, wie die Anspannung in Zahir wuchs. Sie bewegte ihre Hand ein wenig, sodass ihre Fingerspitzen seine berührten. Sie hatte das Falsche gesagt, aber die Berührung schien das Richtige zu sein, denn er akzeptierte sie.
Je näher sie dem Marktplatz kamen, desto dichter wurde die Menschenmenge. Der Wagen konnte jetzt nur noch im Schritttempo fahren, die Menschen drängten sich um die Motorhaube und den Kofferraum herum, um die Straße zu überqueren. Zahir verspannte sich immer mehr.
„Sehen Sie mich an“, sagte Katherine leise. Er drehte den Kopf, seine Miene war wie versteinert, Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn. „Sehen Sie mich an“, wiederholte sie. „Ich bin hier.
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