Julia Extra Band 369
Iris nicht leugnen. Ohne praktische Erfahrung im Mittleren Osten würde sie man sie nicht befördern. Das hatte ihr Chef auch betont, als er sie mit dieser Aufgabe betraut hatte.
Allerdings fühlte sie sich dadurch nicht besser. Asad tat nichts ohne Hintergedanken. Hätte sie das damals nur geahnt! Dann hätte die Erkenntnis, dass er praktisch mit Prinzessin Badra verlobt war, sie nicht so aus der Bahn geworfen.
Was mochte er jetzt vorhaben?
Da er damals lediglich ihren Körper gewollt hatte, hielt sie es für möglich, dass er ihre Affäre wieder aufleben lassen wollte.
Zumindest für eine Weile.
Warum auch nicht? Immerhin war sie schon bei ihrer ersten Verabredung mit ihm ins Bett gegangen und hatte ihm erlaubt, sie zu lieben … oder vielmehr Sex mit ihr zu haben . Ihre Reaktion auf ihn hatte sie überwältigt, und sie hatte geglaubt, er würde genauso empfinden. Nun wusste sie es besser, war sich allerdings nicht sicher, ob es einen Unterschied machte.
„Wo ist dein Vater?“, wechselte sie das Thema, weil sie sich fragte, warum dieser nicht die Nachfolge angetreten hatte.
Dann fiel ihr jedoch ein, dass er möglicherweise verstorben war, und sie hätte ihre Worte am liebsten zurückgenommen. Schließlich hatte sie am Vorabend schon einen Fauxpas begangen, als sie sich nach Asads Frau erkundigte.
Zum Glück wirkte Asad aber nicht so, als würde er sich an einen traumatischen Verlust erinnern. „Er lebt nicht hier, sondern in Genf. Von dort aus leitet er unsere Geschäfte in Europa.“
„Dein Vater wohnt in der Schweiz?“ Nach den Erzählungen seiner Großmutter hätte es sie eigentlich nicht überraschen dürfen. Trotzdem fand sie es seltsam, dass Asad hier als Scheich bei den Beduinen lebte und sein Vater in einer modernen europäischen Großstadt.
„Ja, genau wie Asads Mutter, seine Schwester und seine beiden Brüder.“ Genevieve klang nicht sonderlich erfreut.
Erschrocken blickte Iris Asad an. „Du hast Geschwister?“
Das hatte er nie erwähnt, doch er hatte ihr damals einiges verschwiegen. Aber dass seine engsten Verwandten nicht hier lebten, überraschte sie noch mehr.
„Ja.“
„Aber …“
Seine Großmutter schenkte ihnen Tee nach. Offenbar war es ein heikles Thema für sie, wie ihre angespannte Miene verriet.
Lässig lehnte Asad sich auf seinem Sitzkissen zurück. „Du fragst dich bestimmt, warum sie nicht hier leben.“
„Vermutlich weil deine Eltern in Genf wohnen.“
„Sie sind alle alt genug, um selbst über ihr Leben zu bestimmen.“
Iris wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sicher war das Nomadenleben nicht jedermanns Fall, andererseits erschien es ihr falsch, dass seine Familie der jahrtausendealten Tradition den Rücken kehrte.
„Um seinen Stamm verlassen zu können, musste mein Vater meinem Großvater erlauben, mich hier wie seinen eigenen Sohn großzuziehen, damit ich irgendwann seine Nachfolge antrete“, informierte Asad sie im Plauderton. „Deshalb heiße ich auch bin Hanif und nicht bin Marghub . Und mein Vater benutzt seinen arabischen Namen nicht, sondern nennt sich Jean Hanif.“
Obwohl die Nachnamen für westliche Ohren sehr ähnlich klangen, trug Asad nicht wirklich den Namen seines Vaters. In seinem Kulturkreis bedeutete es, dass er sich praktisch von ihm losgesagt hatte. Allerdings hörte es sich so an, als hätte er dies nicht selbst entschieden.
„Das ist barbarisch!“ Entsetzt schlug Iris sich die Hand vor den Mund, weil sie nicht glauben konnte, dass sie das gerade gesagt hatte.
Aber Genevieve war offenbar nicht gekränkt, denn sie lächelte beruhigend. „Jean fand vieles am Beduinenleben barbarisch. Er wollte eigentlich nie nach Kadar zurückkehren, wenn wir meine Familie in Genf besuchten. Er hat darauf bestanden, an einer amerikanischen Universität zu studieren, und hat genau wie sein Vater eine Europäerin geheiratet.“
Iris vermutete, dass ihre europäischen Wurzeln das Einzige waren, was Asads Mutter mit Genevieve verband.
„Nach der Hochzeit sind Celeste und Jean hierhergezogen, aber sie waren hier nicht glücklich. Schließlich hat Jean uns gesagt, er würde die Nachfolge seines Vaters nicht antreten. Mein Mann hätte durchaus einen seiner Cousins oder Neffen zum Nachfolger bestimmen können, aber er hat schon früh gemerkt, dass unser Enkel im Herzen ein Beduine ist, und seinem Sohn daher angeboten, ihn großzuziehen.“
„Wie alt warst du, als deine Eltern das Land verlassen haben?“, wandte Iris sich an
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