Julia Extra Band 369
Male tief durch, um sich zu sammeln. Gefühle und Erinnerungen lauerten in ihrem Kopf, bereit, jederzeit vorzuspringen. Sie durfte es nicht zulassen, sonst würden sie sie überwältigen.
So beschäftigte sie sich mit Max, zeigte auf die immer kleiner werdenden Häuser dort unten auf dem Erdboden, lenkte das Interesse des Jungen auf die vielen Dinge, die es im Flugzeug zu sehen gab, und die ganze Zeit über war sie sich Rafes Anwesenheit bewusst, auch wenn sie ihn kein einziges Mal ansah. Aus dem Augenwinkel jedoch konnte sie erkennen, dass er sich offensichtlich in Arbeit vertieft hatte. Umso besser. Seine pure Gegenwart war aufreibend.
Erregend.
Nein, so durfte sie nicht denken. Freya war entsetzt über sich selbst. Seit Jahren hielt sie Männer auf Abstand, und dieser kaltblütige Wirtschaftshai sollte sie nun zum Stolpern bringen? Hatte sie denn nichts dazugelernt?
Trotzdem konnte sie ihren Blick einfach nicht von ihm abwenden. Mit gerunzelter Stirn las er irgendwelche Dokumente durch und tippte dabei mit einem Kugelschreiber auf seinen Schenkel … auf seinen muskulösen Schenkel, über den sich der Stoff seiner Hose spannte.
Selbst als er aufblickte, sah sie nicht woandershin. Doch er schaute nicht sie an, sondern seinen Sohn. In seinem Blick lag so viel Sehnsucht und Wehmut, dass es ihr den Atem raubte. Dann sah er von seinem Sohn zu ihr … und noch immer konnte sie nicht wegsehen. Genauso wenig wie er. Sie starrten einander an. Ein Prickeln überlief Freya. Verlangen …
Rafe ließ den Blick langsam über sie wandern. Freyas Wangen begannen zu brennen. Dann presste er die Lippen zusammen und drehte den Kopf ab. Und Freya ließ sich in den Sitz zurücksinken.
Wie konnte ein schlichter Blick eine solche Wirkung auf sie haben?
Nur war an diesem Blick nichts schlicht gewesen.
Nach dem Abendessen machte Freya es Max auf dem Sitz gemütlich, deckte ihn zu und strich ihm übers Haar, bis er eingeschlafen war. Der Flug würde noch gute zwei Stunden dauern. Eigentlich gab es keinen Grund, warum sie sich nicht mit Rafe unterhalten sollte. Warum also machte allein die Vorstellung sie nervös? Irgendetwas war an ihm … die dunklen Augen, die Anspannung, die von ihm ausging, die überwältigende Männlichkeit …
Er weckte Erinnerungen. Was unsinnig war, denn Rafe Sandoval hatte nicht das Geringste mit Timeo gemein. Timeo war kleiner und schmaler gebaut gewesen, überhaupt nicht einschüchternd, stattdessen charmant und einnehmend … Sie zwang sich, die Bilder zu unterdrücken. Das alles war zehn Jahre her, praktisch ein ganzes Leben.
Auch wenn sie es niemals vergessen würde. Und niemals den gleichen Fehler noch einmal begehen würde, schon gar nicht mit Rafe.
Sie strich sich den Rock glatt und sah zu ihm hin, ertappte ihn dabei, wie er sie nachdenklich musterte. „Vielleicht sollten Sie mich wissen lassen, wie es weitergeht, wenn wir in Spanien ankommen.“
„Wir landen in Madrid und werden dort einige Tage verbringen. Ich habe Geschäftliches zu erledigen. Danach werde ich Max zu meinem Besitz in Andalusien mitnehmen.“
„Wie ist es dort? Gibt es eine Stadt mit einem Kindergarten oder einer Spielgruppe in der Nähe?“
Rafe runzelte die Stirn. „Ich denke, es gibt genug Neues, an das Max sich erst gewöhnen muss.“
„Ich bin der Meinung, dass es ihm helfen würde, sich einzugewöhnen“, erwiderte sie fest. „Es würde eine gewisse Routine schaffen, und es wäre die Möglichkeit für ihn, neue Freunde zu finden …“
„Ich werde es in Betracht ziehen, Miss Clark.“
„Bitte, nennen Sie mich doch Freya. Wenn wir schon zusammen leben …“ Abrupt brach sie ab. „Ich meine, unter dem gleichen Dach …“
Es zuckte um seine Mundwinkel. „Keine Sorge, ich verstehe, was Sie meinen“, sagte er trocken.
Freya nickte steif, dennoch ließ sich die Hitzewelle nicht aufhalten – sie rollte durch ihren ganzen Körper. Unbehaglich setzte sie sich um. Die harmlosen Worte hatten eine ganze Folge von Bildern in ihrem Kopf heraufbeschworen, die dort absolut nichts verloren hatten. Sicher, Rafe war ein attraktiver wie faszinierender Mann, aber sie fühlte sich doch nicht zu ihm hingezogen. Das war unmöglich. Sie war nicht auf der Suche nach einem Mann, sie brauchte keinen und verdiente auch keinen. Wenn sie erreichen wollte, dass sie sich weiterhin um Max kümmern durfte, konnte sie sich nicht den leisesten Ausrutscher erlauben.
Rafe verfolgte mit, wie das Rot auf ihre Wangen zog und ihre Augen
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