Julia Extra Band 369
das Gesicht bleich und grimmig. Sie nickte und stand auf. Sie fühlte sich zerbrechlich wie Glas. Er streckte ihr die Hand hin, und nach einem Moment des Zögerns legte sie ihre Finger hinein. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ihr die Hand reichen würde. Jetzt klammerte sie sich daran wie an einen Rettungsanker.
Schweigend gingen sie zu seinem Wagen. Erst als er hinters Steuer geglitten war, fragte er: „Und die Schwangerschaft?“
„Alles in bester Ordnung.“ Sie drehte das Gesicht zum Fenster.
Auf dem ganzen Weg zurück zur Villa sagte keiner mehr ein Wort.
Max warf sich Freya freudig in die Arme, als sie zurückkamen – Damita hatte auf ihn aufgepasst –, und Freya war dankbar für seinen kindlichen Überschwang.
Den restlichen Nachmittag verbrachten sie am Pool. Freya saß am Beckenrand und sah zu, wie Rafe mit seinem Sohn im Wasser spielte. Sie versuchte, sich gelassen zu geben, so als würde Rafes Nähe keine schmerzhafte Sehnsucht in ihr auslösen. Als würde sie nicht darauf warten, dass er ihr jeden Moment eröffnete, es würde keine Heirat geben, keine Familie. Dass er das Sorgerecht für ihr Kind einfordern würde.
Sie malte sich das Schlimmste aus. Weil schon einmal das Schlimmste passiert war. Von Kummer überwältigt, schloss sie die Augen. Sie würde niemals Glück oder Liebe finden, nicht mit der Schuld, die sie von innen auffraß.
„Freya?“
Sie riss die Augen auf. Rafe stand vor ihr, mit Max auf dem Arm, der sich wie ein Äffchen an ihn klammerte.
„Du siehst blass aus. Vielleicht solltest du besser reingehen. Ich mache Max fürs Abendessen fertig.“
Seine Stimme klang neutral, doch seine Augen waren dunkel vor … Kälte oder Sorge? Freya wusste es nicht. Sie wollte es gar nicht wissen.
Sie nickte nur, zu überwältigt vom eigenen Elend, um noch auf Haltung zu achten.
In ihrem Zimmer fiel sie in einen unruhigen Schlummer und wachte Stunden später auf. Das Dinner war vorbei, Max musste längst im Bett liegen. So schlüpfte sie ungesehen in den großen Garten, ließ sich vom Duft der Blüten einhüllen und wanderte über Kiespfade, bis sie schließlich in einem abgeschiedenen Teil landete, in dem ein wunderschöner großer Springbrunnen leise plätscherte. Das Murmeln des Wassers wirkte beruhigend in der Stille der Nacht.
Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie hier gesessen hatte, die Arme um die Knie geschlungen, das Kinn aufgestützt. Irgendwann hörte sie das Knirschen des Kieses. Als sie den Kopf drehte, fand sie Rafe dort stehen, nur ein Schatten in der Dunkelheit.
„Ich habe mich schon gefragt, wo du sein könntest“, sagte er leise.
„Ich brauchte frische Luft.“ Alles in ihr spannte sich an, machte sich bereit für den tödlichen Schlag.
Ich habe beschlossen, dich doch nicht zu heiraten. Ich übernehme das Sorgerecht für unser Kind. Du wirst Max nie wieder sehen.
Rafe sagte lange nichts, dass sie sich schon fragte, ob er sich wieder umgedreht hatte und gegangen war. Bis sie merkte, dass er sich neben sie auf die Steinbank setzte. Das Bewusstsein für ihn durchfuhr sie. Er war ihr so nah, dass sie sich berührten. Sie hielt das Gesicht abgewandt, aus Angst, was er sonst darin sehen könnte.
Der Mond kam hinter den Wolken hervor, sandte silbernes Licht über sie. Sie schluchzte leise auf, als sie Rafes Hand an ihrer Wange spürte.
„Du weinst.“
„Wirklich?“ Sie hatte nicht bemerkt, dass ihr Tränen übers Gesicht liefen. Hastig wischte sie sie fort, hielt das Gesicht noch immer abgewandt.
„Freya …“
Sie verspannte sich. Sie wollte nicht hören, was er zu sagen hatte. Doch letztendlich sagte er überhaupt nichts, drehte sie stattdessen zu sich herum und zog sie in die Arme. Sie war zu überrascht, um sich zu wehren. Auch brauchte sie den Kontakt, den Trost. Sie konnte nicht glauben, dass ausgerechnet Rafe ihr dies gewähren sollte, hielt sich steif …
Bis sie keine Kraft mehr dazu hatte und gegen ihn sackte. Den Kopf an seiner Schulter, kam die Sturzflut der Tränen, die sie zehn Jahre lang zurückgehalten hatte, während er ihr tröstend über das Haar strich. Nur vage nahm sie wahr, dass er ihr unablässig Kosenamen zuflüsterte: querida, mi corazón …
Aber er kannte ja noch nicht die ganze Wahrheit. Und wenn er sie erst erfuhr …
Sie richtete sich auf, wischte sich mit einer Hand über die Wangen. „Tut mir leid“, brachte sie hervor, versuchte, den Moment als momentane Schwäche hinzustellen, nicht als welterschütternde
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