Julia Extra Band 369
Rosalia. „Nein, es ist nicht meine erste Schwangerschaft.“
Sie spürte seinen Schock wie einen Stromschlag, so als gäbe es eine Leitung zwischen ihnen, auch wenn er mit keiner Wimper zuckte.
Die Ärztin lächelte aufmunternd. „Wann waren Ihre früheren Schwangerschaften?“
„Es gab nur eine, vor zehn Jahren.“ Freya konzentrierte sich allein auf die Ärztin.
„Ist damals alles normal verlaufen?“
„Nein.“ Freya schluckte, holte tief Luft. „Ich hatte einen Abbruch in der elften Woche.“
Rafe gab einen Laut von sich, murmelte eine Entschuldigung und verließ den Raum. Freya ließ das Kinn auf die Brust sinken.
„Tut mir leid“, sagte die Ärztin leise. „Ihr Mann wusste nichts davon?“
Freya schüttelte stumm den Kopf. Sie fand nicht einmal die Kraft, um zu sagen, dass Rafe nicht ihr Mann war, dass er es erst demnächst werden würde. Es sei denn natürlich, er würde jetzt seine Meinung ändern. Benommen fragte sie sich, ob sie soeben die einzige Chance auf ein wenig Glück, das mit der Schwangerschaft in greifbare Nähe gerückt war, vertan hatte.
Rafe trat in die helle Sonne. Passanten gingen an ihm vorbei, genossen den warmen Frühlingstag. Mit gesenktem Kopf stürmte Rafe über den Bürgersteig. Emotionen kochten in ihm über. Schock. Ärger. Enttäuschung. Schmerz.
Freya hatte gelogen. Genau wie seine Mutter, die behauptet hatte, nicht zu wissen, warum der Vater ihn so sehr hasste. Genau wie Rosalia, die immer wieder versichert hatte, nicht zu wissen, warum sie nicht schwanger wurde. Er hatte geahnt, dass Freya etwas verheimlichte … aber so etwas?
Warum hatte sie behauptet, unfruchtbar zu sein, wenn sie schon einmal schwanger gewesen war? Warum wurde er immer und immer wieder belogen?
Die Logik sagte ihm, dass Freya nicht wirklich gelogen hatte. Sie hatte die Wahrheit gesagt, sobald man sie gefragt hatte. Bei ihnen hatte sich keine Gelegenheit ergeben, um eine so persönliche Information zu erwähnen. Vermutlich war ihr nach dem Abbruch gesagt worden, dass sie von nun an nicht mehr empfangen konnte, das war ihm klar. Trotzdem fühlte er sich betrogen.
Rafe ging in die Gartenanlagen des Alcazar, des mittelalterlichen Maurenpalasts, an Springbrunnen und Pavillons vorbei, ohne ein Auge für die Schönheit zu haben. Auf einer Steinbank setzte er sich und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Ihm war klar, dass Freya sich fragen würde, wo er blieb. Trotzdem rührte er sich nicht.
Der dumpfe Schmerz in ihm hatte nicht einmal wirklich mit Freya zu tun. Ihr Geständnis hatte nur all die eigenen quälenden Erinnerungen wieder aufleben lassen. Die Täuschung seiner Mutter. Die Zurückweisung des Vaters. Der Betrug seiner Frau.
Du hättest dich darum kümmern sollen, statt mit der Schande zu leben.
Die zischelnde Stimme seines Vaters im Streit zwischen den Eltern. Erst später hatte Rafe verstanden, dass er damit gemeint gewesen war – das ungewollte Kind.
Dann Rosalia. Ich weiß nicht, warum ich nicht schwanger werde. Und schließlich, als sie ging: Ich wollte nie von dir schwanger werden. Dabei war sie schwanger gewesen, als sie ihn verlassen hatte. Wie musste sie ihn gehasst haben!
Und Freya? Er sah wieder ihr bleiches Gesicht vor sich. Vor zehn Jahren war sie nicht mehr als ein Teenager gewesen. Hatte sie den Vater ihres Kindes geliebt?
Jähe Eifersucht raubte ihm den Atem. So stark hatte er noch nie gefühlt. Es war eine beschämende Erkenntnis.
Abrupt stand Rafe auf. Ihre Ehe würde eine geschäftliche Abmachung sein, keine Liebesheirat.
Es durfte nichts anderes sein.
Zusammengesunken saß Freya im Wartezimmer. Sie sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts. Von Rafe keine Spur … was sie nicht überraschte. Sie fragte sich, ob er überhaupt noch einmal auftauchen würde.
Eine Stunde würde sie warten, beschloss sie. Dann würde sie sich ein Taxi zu seiner Villa zurück nehmen. Wie ihr nächster Schritt aussehen sollte, wusste sie nicht. Sie wusste ja nicht, was Rafe wollte, jetzt, nachdem er die Wahrheit kannte.
Nichts hat sich geändert, dachte sie grimmig. Vor zehn Jahren hatte sie schon einmal in einer Praxis gesessen, die Gewissheit über die Schwangerschaft wie ein Stein in ihrer Brust, ohne einen Ort, an den sie hätte gehen können, ohne Hoffnung.
Wir wollen dich nicht mehr sehen, wollen nichts mit dir zu tun haben.
Sie drängte es zurück. Jetzt war sie älter, weiser. Dieses Mal würde sie ihr Baby behalten.
„Alles in Ordnung?“
Rafe stand vor ihr,
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