Julia Extra Band 369
wie sie gebraucht werden wollte. Geschätzt, respektiert … geliebt. Sie wagte nicht einmal, darauf zu hoffen. Aber sich an einen Mann binden, der sie nicht liebte, der ihr misstraute …
An einen Mann, der so liebevoll mit seinem Sohn umging. Ein Mann, in den sie sich verlieben könnte … der sie aber nicht zurücklieben würde.
„Soll das eine Drohung sein?“ Zum Glück war ihrer Stimme nichts anzumerken.
„Nennen Sie es, wie Sie wollen“, sagte er nur. „Ich habe die ersten drei Lebensjahre meines Sohnes verpasst. Das wird mir nicht noch einmal passieren. Sollten Sie sich weigern, werde ich das volle Sorgerecht einklagen.“
Seine Worte erschütterten sie. Freya schluckte. Sie hatte Rafe für einen sanften, liebevollen Mann gehalten, und das war er auch – mit Max. Mit ihr jedoch war er El Tiburón. War es das, dem Rosalia sich die ganzen Jahre gegenübergesehen hatte? Diese fanatische Entschlossenheit, sich um sein Kind zu kümmern? War Rosalia deshalb gegangen?
„Warum wollen Sie mir mein Kind wegnehmen?“, fragte sie, als sie ihrer Stimme wieder trauen konnte. „Warum wollen Sie mich zu einer Heirat zwingen?“
Erstaunen und vielleicht auch Bedauern huschten durch seine Augen, dann wurde seine Miene wieder hart. „Ich will das Beste für unser Kind. Sie nicht auch?“
„Ich will …“ Sie brach ab. Was sie sich wünschte, war unmöglich. Das letzte Mal, als sie der Versuchung nachgegeben hatte, waren drei Leben ruiniert und eines zerstört worden. Liebe, Glück, eine Familie. Völlig unerwartet wurde ihr nun Letzteres angeboten, wenn auch nicht auf die Art, wie sie es sich vorgestellt hatte. Aber es war ihre einzige Chance. Sie würde sich nicht auf einen Sorgerechtsstreit einlassen, das würde sie ihrem Kind nicht antun. Vor allem, wenn sie sich schon jetzt denken konnte, wie es ausgehen würde – nicht zu ihren Gunsten.
„Also gut.“ Sie wusste, was sie zu tun hatte, und es riss ihr das Herz entzwei. „Ich mache es.“
Sie würde Rafe heiraten. Auch wenn sie beide mit einer solchen Situation weder gerechnet noch sie sich gewünscht hatten.
6. KAPITEL
„Guten Morgen.“ Die Ärztin, eine Frau mittleren Alters, die Haare zu einem strengen Knoten im Nacken geschlungen, kam ins Sprechzimmer der modernen Praxis in Sevilla.
Freya erwiderte den Gruß nur murmelnd. Sie fühlte sich schrecklich verletzlich. Rafe saß mit im Raum, sie war sich seiner einschüchternden Anwesenheit so sehr bewusst. Und dann war da auch noch die Erinnerung …
Die sie erdrücken wollte. Der Geruch nach Desinfektionsmittel, die Angst, die verzweifelte Hoffnungslosigkeit. Freya hatte versucht, sich für diesen Moment zu wappnen. Es war ihr nicht gelungen.
Die Ärztin sah sie besorgt an. „Fühlen Sie sich nicht wohl, señora ?“
Señorita. Freya machte sich nicht die Mühe, das richtigzustellen. „Mir ist leicht schwindlig, mehr nicht.“ Sie musste bleich wie ein Laken sein.
Rafe griff in seine Jackentasche. „Vielleicht solltest du etwas essen.“ Er hielt ihr ein Packet Cracker hin. Sie duzten sich jetzt, unter den Umständen wäre das förmliche „Sie“ nur lächerlich.
„Danke“, murmelte sie. Er musste die Cracker vorab für sie besorgt haben – ein tröstender Gedanke in dem emotionalen Tumult.
Die Ärztin zog den Patientenfragebogen heran. „Lassen Sie uns anfangen. Ist das Ihre erste Schwangerschaft?“, erkundigte sie sich geschäftsmäßig.
Die Frage schien laut in dem kleinen Zimmer widerzuhallen. Freya zerdrückte die Cracker in ihrer Hand zu Krümeln. Wieso hatte sie das nicht bedacht? Natürlich würde die Ärztin sie nach ihrem Hintergrund befragen. Solche Informationen waren nötig.
Und natürlich würde Rafe es dann herausfinden.
Gestern noch hatte sie ihm gesagt, dass ihr Geheimnis nichts mit ihm zu tun hatte. Jetzt hatte es sie eingeholt, füllte den Raum mit bösen Erinnerungen, raubte ihr die Luft zum Atmen.
„ Señora? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen lassen?“
Sie warf einen Blick zu Rafe, der sie düster anblickte. Er war stutzig geworden, spürte, dass etwas nicht stimmte. Er würde sich betrogen fühlen und wütend werden. Das war alles so ungerecht … Tränen schimmerten in ihren Augen, doch sie akzeptierte, dass der Moment der Wahrheit gekommen war.
Die Ärztin räusperte sich. „Möchten Sie, dass wir mit der Untersuchung allein fortfahren?“
Freya schüttelte langsam den Kopf. Sie würde die Wahrheit nicht vor Rafe geheim halten, sie war nicht
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