Julia Extra Band 370
sich einen Schal um die Schultern.
„Was willst du damit sagen, Natalie?“
„Niemand kann sich so geben, wie er wirklich ist, weil wir alle durch gesellschaftliche Konventionen und die Erwartungen geprägt sind, die unsere Familien an uns stellen“, erklärte sie. „Wir müssen uns an bestimmte Parameter halten.“
„Und wenn diese Parameter nicht existierten, was würdest du dann tun und sagen?“, fragte Angelo gespannt.
„Das ist doch egal. Mir hört ja sowieso niemand zu.“
„Ich höre dir zu, cara .“
„Wir sollten deine Eltern jetzt wirklich nicht länger warten lassen, Angelo.“
„Bitte lass mich an deinen Gedanken teilhaben. Schließ mich nicht aus.“ Er hob ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen. „Bitte, cara !“
Die unterschiedlichsten Emotionen huschten über ihr schönes Gesicht. Doch Natalie behielt sie für sich.
„Warum lässt du niemanden an dich heran, Natalie?“
Sie löste sich von ihm. „Ich dachte, mein Vater hat dir verraten, dass ich nur an mich selbst denke.“
„Wenn das so wäre, würdest du dich wohl kaum für deinen Bruder opfern.“
Natalie versuchte, ihre Gefühle im Zaum zu halten. „Lachlan ist anders als ich: sensibel und verletzlich. Er kann noch nicht auf sich selbst aufpassen, aber er wird es lernen.“
„Du zahlst einen hohen Preis für seinen ‚Unterricht‘.“
Sie hielt seinem Blick stand. „Ich habe schon höhere Preise gezahlt.“
Angelo versuchte, in ihren Augen zu lesen. Doch ihr Blick war undurchdringlich. „So leicht gebe ich nicht auf, Natalie. Und wenn ich den Rest meines Lebens dafür brauche: Eines Tages werde ich in dein Herz schauen.“
„Viel Glück!“ Sie wandte sich ab und ging zur Tür. „Kommst du jetzt endlich?“
5. KAPITEL
Natalie nahm dankbar das Glas Champagner entgegen, das Sandro ihr reichte, nachdem sie an Angelos Arm den Salon betreten hatte.
„Wir freuen uns so sehr“, sagte Francesca strahlend. „Sandro und ich hatten schon befürchtet, Angelo würde überhaupt nicht mehr sesshaft werden.“
„Genau.“ Sandro hob lächelnd sein Glas. „Aber wir wussten auch, dass er nur aus Liebe heiraten würde. Das ist Tradition bei uns Bellandinis.“
„Wird im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht sowieso nur noch aus Liebe geheiratet?“, fragte Natalie provokant.
„Schon, aber in gewissen Familien sorgt man noch immer dafür, dass sich die junge Generation auf Festen trifft. Eltern haben meist ein sicheres Gespür dafür, wer zu wem passt.“
„Ich halte nichts davon, dass Eltern sich in dem Maße in das Leben ihrer erwachsenen Kinder einmischen“, sagte Natalie.
Sandros Augen glitzerten vergnügt, als er sich Angelo zuwandte. „Wie ich sehe, hast du dir eine Frau ausgesucht, die ihren eigenen Kopf hat. Das macht das Zusammenleben erst richtig aufregend, mein Sohn.“
Francesca gab ihrem Mann einen liebevollen Klaps auf den Arm. „Das sagst ausgerechnet du, der sich seit sechsunddreißig Jahren über meinen Dickkopf beschwert.“
Galant küsste Sandro ihr die Hand. „Aber ich liebe deinen Dickkopf, tesoro mio .“
Dieses Paar schien sich wirklich zu lieben. Im Gegensatz zu Natalies Eltern, die es kaum ertrugen, im gleichen Raum zu sein.
„Ihr Turteltauben macht Natalie noch ganz verlegen“, zog Angelo seine Eltern auf.
Francesco hakte sich sofort bei ihrer zukünftigen Schwiegertochter ein. „Angelo hat erzählt, dass du eine ausgesprochen erfolgreiche Innenarchitektin bist. Ich habe mir deine Kollektion sofort im Internet angesehen. Sie ist großartig. Leider ist sie hier noch völlig unbekannt. Hast du keine Filiale in Italien?“
„Nein, bisher gibt es nur Geschäfte in Großbritannien.“
„Warum? Deine Kollektion würde auch hier reißenden Absatz finden.“ Francesca wunderte sich.
„Ich weiß, dass ich mir den europäischen Markt erschließen sollte, aber ich reise nicht gern“, erklärte Natalie entschuldigend.
„Ach, das findet sich schon.“ Beruhigend klopfte Francesca ihr auf den Arm. „Angelo wird das in die Hand nehmen. Er ist ein ausgezeichneter Geschäftsmann. Bald wird deine Marke überall in Europa bekannt sein. Und ich werde alle meine Freundinnen ermuntern, die schönen Sachen meiner wundervollen Schwiegertochter zu kaufen. Wenn nicht, rede ich kein Wort mehr mit ihnen“, fügte Francesca lachend hinzu.
Das Lob tat Natalie gut, insbesondere da ihr Vater ihre letzte Kollektion als zu verspielt und pariserisch kritisiert hatte. Fünf Minuten in der Gesellschaft
Weitere Kostenlose Bücher