Julia Extra Band 370
Liam noch immer ihr Leben. Sie sah ihn in Lachlan, hörte im Schlaf seine Stimme, litt jedes Jahr wochenlang unter Albträumen, wenn Liams Todestag bevorstand.
Mit allergrößter Anstrengung gelang es Natalie, sich zu beruhigen, ihre Gefühle zu verdrängen. Erst dann wandte sie sich wieder Angelo zu. „Du hattest sicher ein sehr aufschlussreiches Gespräch“, sagte sie ausdruckslos.
„Dein Vater will nur das Beste für dich“, gab er zu bedenken.
Natalie blieb ruhig. „Dann denkt er wohl, du wärst das Beste für mich. Und meine Mutter würde niemals wagen, ihm zu widersprechen. Was für eine glückliche Familie.“
Angelo sah sie forschend an, beließ es aber einstweilen dabei. „Ich werde jetzt duschen. Meine Eltern haben sich sehr viel Mühe mit dem Abendessen gegeben. Es wäre schön, wenn du dich ihnen zu Ehren festlich kleiden und dich anständig benehmen würdest, cara .“
„Mein Vater hat mich vermutlich anders dargestellt, aber ich kann dich beruhigen, Angelo: Ich weiß mich sehr wohl zu benehmen.“
An der Badezimmertür drehte er sich noch einmal um. „Ich weiß. Und ich bin auf deiner Seite, Tatty“, fügte er zärtlich hinzu.
Seine Worte und der Kosename trieben ihr die Tränen in die Augen. Schnell wandte sie sich ab und tat, als würde sie aus dem Fenster schauen. Erst als die Tür hinter Angelo ins Schloss fiel, entspannte Natalie sich wieder.
Angelo hatte gerade seine Manschettenknöpfe befestigt, als Natalie aus dem Ankleidezimmer trat. Sie sah atemberaubend aus in dem klassischen schwarzen Kleid, dessen Rockende die Knie umspielte, hochhackigen Pumps und Brillant-Perlenohrhängern mit dazu passendem Collier. Das Haar hatte sie zu einem eleganten Chignon geschlungen, ein dezentes Make-up brachte ihre dunkelblauen Augen zum Leuchten und betonte die hohen Wangenknochen. Der Hauch eines schweren, nach Maiglöckchen duftenden Parfums umfing ihn.
Wie konnte jemand, der aussah wie eine Göttin, zu all den Dingen fähig sein, von denen ihr Vater gesprochen hatte? überlegte Angelo und beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Natürlich hatte Natalie ihren eigenen Kopf und legte Wert auf ihre Unabhängigkeit. Aber so egoistisch, wie ihr Vater sie dargestellt hatte, konnte sie gar nicht sein. Dann hätte sie nicht alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihrem Bruder aus der Bredouille zu helfen.
„Man könnte denken, du hättest gerade den Laufsteg einer New Yorker Modenschau verlassen“, sagte er anerkennend.
„Wohl kaum. Das Kleid ist drei Jahre alt, ich habe es für einen Spottpreis im Ausverkauf erstanden.“
„Mir gefällt deine Frisur.“
„Sie verbirgt geschickt, dass ich dringend zum Friseur muss.“
„Was hast du eigentlich gegen Komplimente? Mir ist schon vor fünf Jahren aufgefallen, dass du sie immer abgetan hast.“
„Versuch’s doch einfach noch mal“, sagte sie herausfordernd.
„Du bist wunderschön.“
„Danke.“
„Und ausgesprochen intelligent.“
Natalie deutete einen Knicks an. „Danke schön.“
„Dein Körper ist unwiderstehlich.“
Sie errötete leicht und wandte schnell den Blick ab. „Ich habe seit Wochen keinen Sport gemacht.“
„Du musst Danke sagen, statt dich zu entschuldigen“, mahnte Angelo.
„Danke.“
„Du bist die faszinierendste Frau, die ich kenne.“
Eine Maske schien über ihr Gesicht zu gleiten. „Du solltest mehr unter Leute gehen, Angelo.“
„Hinter deinen wunderschönen Augen verbergen sich Geheimnisse.“
Sie zuckte zusammen, hatte sich jedoch sofort wieder im Griff. „Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, Angelo. Verrätst du mir welche von deinen?“
„Wer hat dir den Schmuck geschenkt?“
„Mit dem habe ich mich selbst beschenkt.“ Sie tastete nach dem Collier.
„Hast du noch das Medaillon, das ich dir auf dem Flohmarkt gekauft habe?“
Natalie zog die Hand zurück und griff nach der Handtasche. „Deine Eltern wundern sich sicher, wo wir so lange bleiben.“
„Sie können sich denken, dass wir viel nachzuholen haben.“
Verlegen senkte sie den Blick. „Hoffentlich erwarten sie nicht von mir, mich auf Italienisch zu unterhalten.“
„Keine Sorge. Sie möchten einfach nur die Tochter willkommen heißen, die sie selbst nie hatten.“
„Ob ich ihren hohen Ansprüchen genügen werde? Für ihren einzigen Sohn ist ihnen sicher keine Frau gut genug.“
„Sie werden dich lieben, wenn du ihnen dein wahres Gesicht zeigst, Natalie.“
„Als ob das funktionieren würde!“ Sie legte
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