Julia Extra Band 371
fand keinen Schlaf. Sie betete, dass es bald Tag werden würde. Er würde zu seinem Morgengebet gehen, und sie würde abreisen. Beim ersten Morgengrauen.
Dann klingelte es noch einmal.
Die Vorsteherin lugte erst zum Vorhang hinaus, dann kam sie zu Natasha. Den Finger an die Lippen gelegt, hieß sie sie schweigen, zog sie dann von ihren Kissen hoch.
Natasha wurde zurechtgemacht, bekam einen kurzen Rock mit aufgenähten Münzen umgelegt und einen Bustier, der ebenso laut klingelte, dann wurde ihr ein Gesichtsschleier in den Haaren festgesteckt. Ihr wurde erklärt, welche Bedeutung es hatte, wenn der Prinz von ihr verlangte, den Schleier abzunehmen, doch sie dachte sofort, dass sie ihn ohrfeigen würde, sollte er es versuchen. Auch ihr wurde das schwere Parfüm aufgetragen, obwohl sie sich weigerte.
„Er wird müde sein, daher gelingt Ihnen die Überraschung vielleicht nicht“, flüsterte die Vorsteherin ihr zu.
Ihn überraschen? Eher würde sie ihn wohl anspucken, doch das konnte sie gegenüber der Vorsteherin natürlich nicht sagen. Stattdessen hörte sie auf die weiteren Instruktionen.
„Vermutlich wird er nicht reden wollen, der Prinz verschwendet seine Zeit nicht mit Reden. Schweigen Sie ebenfalls, damit sein Geist frei wandern kann. Sollte er Sie jedoch ansprechen, dann sagen Sie, dass Sie Englisch sprechen. Lassen Sie sich von seinen Händen führen.“ Sie legte Natasha Armreifen an und befestigte große Ohrringe an ihren Ohrläppchen. „Ihm gefällt dieses leise Klingeln“, sagte sie, und Natasha hasste es, das von einer anderen Frau zu erfahren.
Die Vorsteherin bedeutete ihr noch einmal, unbedingt leise zu sein, denn Abdul schlief vor dem Haremszelt. Und Natasha begriff, dass Abdul die Vorsteherin angewiesen hatte, sie vom Prinzen fernzuhalten.
Vorsichtig führte die Vorsteherin sie an dem schlafenden Abdul vorbei zu Rakhals Zelt. „Er verdient es, glücklich zu sein“, sagte sie, küsste Natasha auf beide Wangen und ließ sie allein vor seinem Gemach stehen.
Noch immer beantwortete sie ihr Telefon nicht. Rakhal lag auf der Bettstatt und wusste, dass er ein Narr war, länger darauf zu hoffen.
Genau wie er die ganze Nacht darauf gehofft hatte, dass sie zu ihm kommen würde. Er hatte den Rat angenommen und auf die alten Weisen vertraut, hatte sich lächerlicherweise tatsächlich eingeredet, sein Vater und Abdul hätten einen Grund dafür gehabt, ihn vom Harem fernzuhalten.
Der Morgen würde bald kommen. Nach dem Gebet würde er zum Palast zurückkehren, es ließ sich nicht länger aufschieben. Heute würde er die Wahl seiner Braut verkünden, es gab kein Zurück mehr.
Er hörte die leisen Schritte und das Klingeln von Armreifen. Das schwere Parfüm erreichte ihn, als sie eintrat, und die letzte Hoffnung erstarb. Er wusste doch, dass Natasha weder Parfüm noch Schmuck mochte. Und sein Herz hatte die ganze Zeit über gewusst, dass sie niemals in den Harem gehen würde.
Luftschlösser, mehr nicht.
Die Musik wurde lauter, als Natasha in den dunklen Raum trat. Für einen Moment blieb sie stehen und sah nervös zu der Bettstatt hin, auf der Rakhal nackt lag. Er schaute nicht zu ihr hin. Aus Angst, dass er sie erkennen könnte und wütend werden würde, war ihr die Kehle staubtrocken. Sie ging auf sein Bett zu, wollte die Hand ausstrecken und ihm sagen, dass sie hier war, um zu reden. Doch welchen Zweck hätte das noch?
Nach dieser Nacht fühlte sie sich betrogen.
„Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?“ Er packte ihr Handgelenk. „Du sollst den Edelstein von dem Tischchen nehmen.“
Sie verstand noch immer nicht, obwohl er dieses Mal nicht arabisch sprach. Davon hatte die Vorsteherin nichts gesagt. Vielleicht hinterher …? Denn sie wollte dieses eine letzte Mal mit ihm haben.
„Nimm den Stein“, wiederholte er, „und sprich mit niemandem darüber. Jetzt setze dich dorthin und warte eine angemessene Zeit.“ Der schwere Duft brannte ihm in der Nase, das Klingeln von Münzen und Armreifen drang an seine Ohren, und alles, was er wollte, war Natasha. „Der Stein ist das Entgelt für dein Schweigen. Solltest du reden, werde ich es erfahren. Meine Gedanken sind bei einer anderen.“
Doch sein Körper betrog ihn, denn ihre Hand, die er losgelassen hatte, fuhr über seinen Bauch, und seine Männlichkeit reagierte, obwohl sein Geist sich wehrte. Es war, als würde sein Körper sie erkennen. Die Berührung war so leicht, dass es nur Natasha sein konnte. Aber das Klingeln der Armreifen
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