Julia Extra Band 371
verschwunden und hatte einer kühlen reservierten Person Platz gemacht. Was war bloß passiert, das ihre Lebhaftigkeit so gedämpft hatte?
„Du reist also immer noch mit leichtem Gepäck“, bemerkte Archer und wollte ihr die Reisetasche abnehmen.
Callie warf sie wortlos auf die Rückbank und stieg ein. Sobald sie sich angeschnallt hatte, verschränkte sie die Arme und saß steif da.
Ganz augenscheinlich hatte sie etwas dagegen, ihm im Auto so nahe zu sein. Besser gesagt, überhaupt in seiner Nähe zu sein.
Das machte ihn wütend. Früher hatten sie sich gar nicht nahe genug sein können. Sie hatten zusammen gelacht, geredet, sich an den Händen gehalten, sich gegenseitig berührt. Wenn sie ihn anlächelte, war es wie das herrliche Gefühl, auf einer perfekten Welle zu reiten.
Aber du hast Callie sitzen lassen, meldete sich eine innere Stimme.
Na super, das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass sein Gewissen ihm Vorwürfe machte!
Trotzdem war er nicht bereit, Callies schlechte Laune eine ganze Woche lang hinzunehmen. Wenn er bei Travis’ Hochzeit mit einer so missmutigen und widerwilligen Begleiterin aufkreuzte, wäre seiner Mutter sofort klar, dass es sich nicht um seine derzeitige Freundin handeln konnte. Dann würde sie neugierig werden – und fragen und bohren und nerven.
Archer startete das Auto und fädelte sich in den Verkehr ein. „Du weißt, dass die Fahrt nach Torquay ungefähr eineinhalb Stunden dauert?“, bemerkte er sachlich.
„Ja.“
„Willst du die ganze Zeit über ein langes Gesicht machen?“, erkundigte er sich freundlich. „Muss ich vielleicht zu ‚Ich sehe was, was du nicht siehst‘ oder zum beliebtebn Spiel ‚Nummernschild-Raten‘ Zuflucht nehmen, um dich zum Lachen zu bringen?“
„Ich bin nur zum Arbeiten hier!“
„Blödsinn!“, rief er und bog ganz plötzlich in eine Seitenstraße ein, was hinter ihm lautes Hupen verursachte.
Kaum hatte er am Straßenrand angehalten, umfasste er Callies Gesicht und küsste sie heftig auf den Mund. Der Kuss verriet seine ganze Frustration wegen ihres bisherigen eisigen Benehmens.
Zuerst leistete sie Widerstand, aber Archer ließ nicht locker. Eigentlich hatte er ihr nur beweisen wollen, dass er sich nicht alles von ihr gefallen ließ, aber sobald seine Lippen ihre berührten, wurde er von Erinnerungen überflutet.
Ja, er erinnerte sich ganz genau, wie es war, sie zu küssen.
Und er wollte mehr!
Leicht und verführerisch ließ er nun die Lippen über ihre gleiten, um sie zum Nachgeben zu provozieren.
Doch Callie ließ sich nicht erweichen – bis er ihren Nacken streichelte und dann die Finger in ihre Haare schob, was ihr damals immer sehr gefallen hatte, wie Archer noch wusste.
Sie stöhnte protestierend, doch dann gab sie nach, auch wenn sie ihm die Hand auf die Brust legte und ihn halbherzig wegzuschieben versuchte. Jedenfalls wurden ihre zusammengepressten Lippen gleich darauf weich.
Er zögerte nicht, das auszunutzen, und vertiefte den Kuss. Sie ließ es sich gefallen, ja, sie erwiderte den Kuss hingebungsvoll.
Eine kleine Ewigkeit lang saßen sie da und küssten sich wie ein leidenschaftlich verliebtes Paar. Dann ließ er die Hand sinken. Seine Lippen ruhten noch für einen bittersüßen Moment auf Callies, dann hob er den Kopf.
Was Archer nun sah, versetzte ihm einen Schock, als ob er von einer Welle vom Brett geworfen würde – was ihm nur ganz selten passierte.
Die Callie von früher war zurück! Ein Lächeln lag auf ihren schönen vollen Lippen, ja, sie strahlte förmlich.
Er hatte sie zwar in bessere Laune bringen wollen, aber nicht erwartet, dass ihn das so umhauen würde. Da war ja mit Monsterwellen leichter umzugehen!
In den wenigen Sekunden, als Archer nach einer möglichst beiläufigen Bemerkung suchte, verschloss Callie sich wieder. Erneut runzelte sie die Stirn, und das Strahlen erlosch.
„Bist du jetzt glücklich, weil du mir einen Kuss entlockt hast?“, fragte Callie kühl. „Den ich nur um der alten Zeiten wegen erwidert habe. Wolltest du irgendetwas beweisen?“
Er schüttelte den Kopf, noch ganz verwirrt von seiner heftigen Reaktion auf einen Kuss, der ihm nichts hätte bedeuten sollen.
„Also … ich wollte bloß deine Erklärung entkräften, dass es dir nur um die Arbeit geht“, erklärte Archer schließlich.
Sie zog die Brauen hoch. „Und du dachtest, ein einziger kleiner Kuss könnte das bewirken?“
Nein, das hatte er nicht gedacht. Er hatte überhaupt nicht gedacht! Er hatte
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