Julia Extra Band 371
ihn zur Hochzeit seines Bruders zu begleiten.
Wenn er bedachte, wie er sie damals abserviert hatte, war ihm jetzt nicht nur das scheinbar Unmögliche geglückt.
Er hatte vielmehr ein wahres Wunder vollbracht.
Archer wollte vermeiden, dass seine Familie jetzt schon von Callie erfuhr. Es würde am Weihnachtsabend schlimm genug werden. Ganz grässlich wäre es, wenn Horden von Fletts bereits jetzt hier auftauchten, um Callie in Augenschein zu nehmen.
Obwohl sie ebenfalls aus der Großstadt Melbourne stammte, war sie so ganz anders als seine bisherigen Dates. Sie brauchte keine Wagenladung Make-up bevor sie sich morgens zeigte, sie verlangte keinen exklusiven Hairstylisten und kein trendiges Nagelstudio, sie rümpfte nicht die Nase aus Angst um ihre lackierten Fußnägel, wenn sie durch den Sand gehen musste.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, sie als seine Begleiterin zur Hochzeit einzuladen. Womöglich bot sie ihm nicht den Schutz gegen zu große Nähe mit seinen Angehörigen, den er sich von ihr erhoffte.
Callie war warmherzig und lebhaft, nicht kühl und arrogant wie die Frauen, die er sonst mit nach Torquay brachte. Er hatte bisher immer gewollt, dass seine Familie etwas gegen seine Begleiterinnen hatte und sich deshalb auf Abstand hielt. Das war ja Sinn der Sache! Was aber, wenn die Fletts sich zu Callie sofort hingezogen fühlten – so wie er –, und sich nicht auf Armeslänge weghalten ließen?
Bisher war es ihm geglückt, seine Familie von Besuchen abzuhalten. Am vergangenen Abend hatten er und Callie bei Pizza und Bier intensiv an der Website für die Surfschule gearbeitet.
Nun war es ihm fast unheimlich, wie behaglich es mit Callie zusammen war. Er hatte hier im Haus noch nie eine Frau als Gast gehabt und schon gar nicht mit einer zusammengelebt. Hier war sein Zufluchtsort, an den er sich vor den Fans und den Medien zurückzog. Nur seine Familie wusste über das Anwesen Bescheid.
Und einige Mitglieder derselben klopften gerade wie wild an seine Haustür.
Leise fluchend machte Archer auf und funkelte Tom und Travis an. Izzy, Toms sechs Jahre alte Tochter, schmiegte sich an dessen Beine.
Ihm wurde schwer ums Herz beim Anblick seiner kleinen Nichte. Sie konnte ihm wie kein anderer Mensch Schuldgefühle vermitteln, weil er so selten hier war.
Mit drei Jahren hatte sie seinem damaligen Weihnachts-Date bei jeder Gelegenheit die Zunge herausgestreckt und ihn angebettelt, er solle ihr das Surfen beibringen. Er hatte sich damit herausgeredet, dass zwei Tage zu wenig Zeit wären. Im Jahr danach hatte sie der Begleiterin Heuschrecken in die Handtasche und Krabben in die Designerschuhe gesteckt. Außerdem hatte sie ihn wieder gequält, ihr endlich Surfunterricht zu geben.
Mit fünf Jahren hatte Izzy kritisiert, seine Freundin hätte zu gelbes Haar und zu rote Lippen. Allerdings hatte sie aufgegeben, ihm wegen des Surfens in den Ohren zu liegen.
Darüber hätte er froh sein sollen, aber es hatte ihn traurig gemacht. Nur schweren Herzens hatte er sich im vergangenen Jahr von ihr verabschiedet. Sie konnte ja nichts für seine Schwierigkeiten mit den anderen Familienmitgliedern.
Mit seinen Besuchen war es jedes Mal dasselbe. Die anfängliche Spannung zwischen ihm und seinen Brüdern ließ rasch nach und machte kumpelhaftem Umgang Platz. Seine Mutter gluckte um ihn herum, und zu seinem Vater war das Verhältnis nachhaltig befangen und steif.
Er wollte immer noch, dass Callie sozusagen als Puffer fungierte, aber vielleicht würde er diesmal seinen Stolz schlucken und den ersten Schritt zur Versöhnung wagen. Das hatte er früher auch schon öfter vorgehabt, aber dann immer wieder festgestellt, dass zwei Tage zu wenig waren, um die Kluft zu überbrücken.
Diesmal blieb er eine Woche. Damit war die Ausrede hinfällig.
Archer bückte sich und sah Izzy in die Augen. „Hallo, Kleines. Wir haben uns ja lange nicht gesehen.“
Sie runzelte die Stirn, und ihre großen blauen Augen funkelten. Er fühlte sich durschaut: als mieser Kerl, der nicht mal seine Brüder bei sich willkommen hieß.
Er streckte die Arme nach ihr aus, und zögernd kam Izzy hinter ihrem Vater hervor. Es machte ihn traurig, dass sie ihn quasi wie einen Fremden behandelte. Aber daran war er mit seinem dummen Stolz selber schuld.
Ich muss die Vergangenheit endlich überwinden, sagte Archer sich. Denn je länger es dauerte, desto schwerer wurde es, so zu tun, als wäre nichts gewesen. Ihm lag viel daran, dass es wurde wie früher, als sie
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