Julia Extra Band 371
ihre leise Hoffnung, er könnte sich geändert haben. Somit konnte sie also auch die Hoffnung auf eine gemeinsame, wenn auch befristete Zukunft abschreiben.
Callie wollte ihre Hand aus seinem Griff ziehen, aber er ließ sie nicht los. Schließlich seufzte er leise, und sein Blick war schmerzerfüllt.
„Tut mir leid, dass ich dich so angeschnauzt habe“, entschuldigte Archer sich. „Du kannst ja nichts dafür.“
„Möchtest du darüber reden, was dich bedrückt?“
„Nicht wirklich, Callie.“
Sie spürte aber, dass er einen inneren Kampf ausfocht, während er von seinen Eltern zu seinen Brüdern und Izzy blickte.
„Also, ich bin nicht mehr oft hier“, gestand Archer schließlich leise. „Ich fühle mich wie ein völlig Fremder. Das ist natürlich meine Schuld, nicht ihre. Seit ich professionell zu surfen angefangen habe, scheine ich hier nicht mehr dazuzugehören.“
Callie suchte verzweifelt nach einer Bemerkung, die nicht abgedroschen klang. „Deine Lebensweise ist so ganz anders als ihre“, meinte sie. „Vielleicht fühlst du dich deshalb ausgeschlossen, weil ihr zu wenige Gemeinsamkeiten habt.“
„Nein, das ist es nicht.“ Er sah ihr betrübt in die Augen. „Sie haben mir etwas verheimlicht. Das hat alles verändert.“
„Was ist passiert?“, hakte sie sanft nach.
Er seufzte schwer. „Dad hatte Prostatakrebs. Das haben sie mir ganze eineinhalb Jahre nicht gesagt!“
Callie sah ihn entsetzt an. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sie sich gefühlt hätte, wenn ihre Mutter ihr die schwere Krankheit verschwiegen hätte. Deshalb verstand sie nun auch endlich Archers Verhalten, seinen Wunsch, den anderen nicht zu nahe zu kommen.
„Das tut mir so leid für dich“, sagte Callie leise und umarmte ihn tröstend, weil Worte ihre Gefühle nicht angemessen ausdrücken konnten.
„Ja, es hat ganz schön genervt. Er wurde ungefähr zu der Zeit krank, als ich erste Erfolge als Profi hatte, etwa zwei Jahre bevor ich dich kennenlernte.“
Er machte sich von ihr los und blickte zu seinen Eltern.
„Sie wollten mich nicht mit etwas belasten, bei dem ich ohnehin nichts hätte ausrichten können. Also haben sie gewartet, bis die Therapie erfolgreich beendet war. Alles nur, damit ich meinen Traum von der Karriere als Surfer verwirklichen kann. Offensichtlich haben sie mich für völlig seicht und oberflächlich gehalten.“
Sie umfasste sein Kinn und zwang ihn, sie anzusehen. „Verurteile sie nicht zu streng, Archer. Ich habe dasselbe durchgemacht wie deine Mutter und deine Brüder. Man sitzt hilflos und frustriert herum, während man auf Testergebnisse wartet. Das ist eine zermürbende Aufgabe. Man kann ja überhaupt nichts tun.“
Plötzlich wurde sie von den Erinnerungen daran beinah überwältigt.
„Ich kann mir gut denken, wie weh es dir getan haben muss, ausgeschlossen zu werden, aber hast du schon mal überlegt, dass sie dir das Problem verschwiegen haben, weil sie dich lieben?“
Sie sah ihm an, dass ihm der Aspekt noch nicht bewusst gewesen war.
„Du hast mir auf Capri erzählt, dass du von klein an immer nur Surfprofi werden wolltest, besser gesagt, der beste Surfer der Welt. Ich habe dich ein bisschen beneidet, weil dir dein Ziel schon früh so klar war, und weil du so viel dafür zu tun bereit warst. Wenn mir das in der einen kurzen Woche aufgefallen ist, dann war deinen Eltern ja wohl erst recht klar, wie viel dein Traum dir bedeutet. Oder?“
Archer wollte antworten, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern legte ihm sanft einen Finger auf die Lippen.
„Denk mal drüber nach. Wenn man dich eingeweiht hätte und du alles hättest stehen und liegen lassen, um bei deinem Vater zu sein, wärst du nicht irgendwann böse auf deine Familie geworden, weil du ihretwegen auf die Verwirklichung deines Lebenstraums verzichten musstest?“
„Natürlich nicht!“, antwortete er. „Ich hätte hier sein und sie unterstützen wollen.“
„Du wärst also letztlich lieber in Torquay geblieben, als Weltmeister zu werden?“
Archer runzelte finster die Stirn. „Sie haben mir ja gar nicht die Wahl gelassen, mich für das eine oder das andere zu entscheiden. Das wäre aber mein gutes Recht gewesen. Findest du nicht?“
Sie legte ihm die Hand an die Wange. „Sie lieben dich, Archer, und dein Vater ist wieder ganz gesund. Das ist doch das, worauf es ankommt, oder? Vergeude deine Zeit nicht mit Bedauern. Das Leben ist viel zu kurz.“
„Hast du mir deshalb eine zweite Chance
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