Julia Extra Band 372
mehr darum, ihrer Karriere neuen Schwung zu geben. Der Text war ihr zur Herzensangelegenheit geworden, und sie fragte sich, ob die Leute das spüren würden.
Es klingelte ein zweites Mal, und Mary rief: „Ich komme. Einen Moment.“
Grace beobachtete vom oberen Treppenabsatz aus, wie Mary die Tür öffnete. Ihre Mutter kam herein.
Gefolgt von Grace’ Vater, Greg McKinnon.
Grace starrte ihre Eltern an – geschieden, wiederverheiratet, erneut geschieden –, die breit lächelnd beisammen standen. „Hi, Grace. Hi, Mary“, grüßte Lydia, als wäre es die normalste Situation der Welt.
Mary nahm ihren Sohn in die Arme, dann umarmte sie auch ihre Ex-Schwiegertochter. „Ich freue mich, euch zu sehen.“
Grace blieb wie angewurzelt stehen. Sie musste den Anblick erst verarbeiten. Waren ihre Eltern etwa wieder zusammen? Wann konnte es dazu gekommen sein? Und vor allem: Warum?
Lydia nahm Gregs Hand und hielt sie fest. Lächelnd bedankte sie sich bei Mary für die Einladung.
„Du hast sie zum Dinner eingeladen?“, fragte Grace und ging die Treppe halb nach unten. „Davon hast du nichts erzählt.“
Mary nickte. „Habe ich wohl vergessen. Aber ich dachte, wie schön es wäre, wenn wir mal wieder zusammenkommen.“
„Und ich danke dir vielmals für die Einladung, Mom.“ Greg schaute Lydia an und lächelte ihr zu. Dann hob er den Blick zu Grace. „Ich weiß, dass es für dich eine Überraschung ist, Schatz. Aber wir wollten nichts verraten, bevor wir uns nicht ganz sicher sind.“
„Sicher? Was meinst du?“
Er grinste. „Deine Mutter und ich, wir haben in der letzten Zeit viel miteinander gesprochen. Meistens am Telefon, ein paarmal auch persönlich.“
Lydia errötete tatsächlich, während Greg fortfuhr: „Und als wir gehört haben, dass du und deine Schwestern zu Weihnachten hier sein werdet, haben wir uns entschieden, es offiziell zu machen.“
„Was?“, fragte Grace. Noch immer verweilte sie auf der Treppe, als wollte sie jederzeit in ihr Zimmer flüchten.
„Wir werden es noch einmal miteinander probieren.“
Mary schlug die Hände zusammen und gratulierte aufgeregt. Die drei strahlten. Grace jedoch konnte sich denken, wie das ausging. Ihre Eltern waren wie Öl und Wasser: Sie stießen sich ab. Warum nur konnten einige Leute sich nicht mit der Wahrheit abfinden und einsehen, dass sie nicht füreinander geschaffen waren?
„Was bitte schön soll jetzt anders sein als früher?“, fragte sie. Das aufgeregte Gespräch im Flur erstarb, und alle schauten sie an. „Ihr seid noch dieselben wie immer, nur ein wenig älter. Ihr werdet in die Flitterwochen gehen, ein paar Wochen oder Monate euren Spaß haben und euch wieder trennen.“ Bitter fügte sie hinzu: „Zumindest müssen diesmal keine Kinder darunter leiden.“
Mary sah sie flehend an, ob sie nicht ihre Gedanken ein wenig im Zaum halten könnte. Doch Grace hatte keine Lust, heile Familie zu spielen, nur weil Weihnachten war.
„Wir sind älter und klüger geworden, Grace“, sagte Lydia. „Wir …“
„Oh nein, seid ihr nicht, Mom. Du bist immer noch ständig unterwegs und nie da, wenn man dich braucht. Und Dad arbeitet sich immer noch zu Tode und wartet, dass du von deinen Eskapaden zu ihm zurückkehrst.“
„Aber ich bin doch schon da“, sagte Lydia. „Bei euch. Und dein Vater ist auch da.“
„Ein bisschen spät, findest du nicht?“ Grace stürmte die Treppe herab, griff sich ihren Mantel und ging nach draußen. Ihre Mutter rief ihr hinterher, alles sei jetzt anders.
Das aber hatte Grace schon zu oft gehört.
Als J. C. kam, saß Grace auf der Veranda, eingemummelt in ihren Mantel. Der Himmel versprach noch mehr Schnee, und endlich standen ihnen wieder einmal weiße Weihnachten bevor. J. C. legte seinen Blumenstrauß aus der Hand und setzte sich neben Grace.
„Du siehst wütend aus und …“, er machte eine Pause, „verzweifelt.“
„Meine Eltern sind hier. Beide. Und meine Schwestern kommen morgen.“ Sarkastisch fügte sie hinzu: „Eine große glückliche Familie.“
„Aber ist es nicht schön, mit allen gemeinsam zu feiern?“
„Du kennst uns doch. Wir waren nie eine glückliche Familie. Die Auseinandersetzungen meiner Eltern, ihre Trennungen. Und mit meinen Schwestern und mir steht es auch nicht zum Besten.“
„Wieso? Was ist denn los?“
Grace überlegte, was eigentlich los war mit den drei McKinnon-Schwestern. Warum verstanden sie sich nicht mehr? Dabei waren sie unzertrennbar gewesen. Aber mit der
Weitere Kostenlose Bücher