Julia Extra Band 372
vielleicht die Chance, sich als Gleichberechtigte zu begegnen, ohne dass eine von ihnen die Ersatzmutter geben musste.
„Hey“, sagte Hope und lächelte noch etwas verknautscht. „Wo ist Grandma?“
„Selber hey.“ Grace reichte ihrer Schwester die Tasse. „Grandma hilft heute beim Wintervergnügen. War sie schon im Bett, als du gestern kamst?“
„Ja. Aber dich habe ich noch gehört, als du nach Hause gekommen bist. Du weißt schon, das Verandabrett.“ Hope grinste. Die gemeinsame Erinnerung an früher brachte sie näher. „Das Brett hat dir damals eine Menge Ärger beschert. Auch wegen J. C., wenn ich mich richtig erinnere, oder?“
J. C. war wirklich der Letzte, an den Grace heute denken wollte. Sie hatte ihm den Artikel gegeben, und er hatte sich noch nicht gemeldet. Nicht einmal eine SMS geschickt. Hatte sie einen Fehler gemacht?
Sie wärmte sich die Hände an der Tasse und freute sich aufrichtig, ihre Schwester zu sehen. Seit dem Streit hatte sie viel zu viel Zeit vergehen lassen. Dabei waren ihre Schwestern einst ihr Anker gewesen, die Menschen, auf die sie sich jederzeit verlassen konnte. „Ich freue mich, dich zu sehen, Hope.“
„Wirklich?“ Hope setzte sich an den Tisch. „Nach unserem letzten Kontakt …“
„Lass uns das einfach vergessen, ja? Ich war unfair zu dir, und ich hoffe, du kannst das entschuldigen.“
„Schon gut. Irgendwie konnte ich dich ja auch verstehen.“
„Jedenfalls freue ich mich, dich zu sehen“, sagte Grace noch einmal. „Es ist schön, hier in Beckett’s Run zu sein und die geliebten Menschen wiederzusehen, Grandma und euch und …“ Der Gedanke an J. C. ließ Grace verstummen. Sein Schweigen tat ihr weh, und endlich gestand sie sich ein, dass ihre Liebe zu ihm neu entbrannt war. Und diesmal, so fürchtete sie, würde es hundertmal schwerer, von hier aufzubrechen.
Sie zwang sich zu lächeln. „Wie war es auf der Ranch?“, fragte sie Hope. „Laut Grandma hast du für eine Art Therapieeinrichtung Fotos gemacht?“
Errötend erzählte Hope ihrer Schwester von der Anlage für Reittherapie, auf der sie fotografiert hatte. Als Grace sich erkundigte, was daran denn so peinlich war, dass sie rot wurde, begann Hope zu stottern und fragte hastig: „Musst du nicht los?“
Grace sah sie an, und ihre Blicke voller Verständnis, Liebe und Freundschaft trafen sich. Die Jahre schmolzen dahin, und fast war es wie früher, als sie noch kleine Mädchen waren und ihre Betten zusammengeschoben und flüsternd ihre Geheimnisse ausgetauscht hatten, lange nachdem das Licht ausgemacht worden war.
„Der Besitzer der Ranch, Blake … ich habe mich in ihn verliebt.“
Hope erzählte von Blake, wie unwiderstehlich er war, wie sexy und wie liebenswert. Und während Grace zuhörte, spürte sie den Neid in sich emporsteigen.
Neid auf Hope, die es gewagt und sich von der Klippe abgestoßen hatte, um in das ungewisse Wasser der Liebe einzutauchen. Sie hatte sich in eine Welt vorgewagt, in der es keine Sicherheiten gab und keine Garantie ewigen Glücks. Es erforderte Mut, doch dem Strahlen in Hopes Gesicht nach zu urteilen, war es das wert.
Grace umarmte ihre Schwester und hoffte, dass auch sie einmal diesen Mut aufbringen würde.
10. KAPITEL
J. C. stand im Park und bewunderte sein Werk. Genauer: das Werk, das er gemeinsam mit rund einem Dutzend Mitarbeitern geschaffen hatte. Sie hatten den gesamten Park in eine Art Winterwunderland verwandelt, und die Menschen aus Beckett’s Run und von außerhalb schlenderten von einer Attraktion zur anderen. Sie genossen heißen Kakao und Schmalzgebäck und vergnügten sich bei kleinen Spielen. Das ganze Wintervergnügen war ein Erfolg, und da es heute zu Ende ging, konnte auch J. C. erstmals alles entspannt betrachten und einfach nur seinen Gedanken nachhängen.
In den kommenden Tagen wartete eine Reihe von Entscheidungen auf ihn. Als sein Blick auf eine wohlvertraute Figur im blauen Mantel fiel, wusste er, dass eine Entscheidung wichtiger als alle anderen war. Sein Herz machte einen Sprung, und sein Puls raste. Er musste sofort hinüber zum Teich. Er bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge, dabei antwortete er auf die Fragen, die auf ihn eindrangen, und nahm den Dank der Menschen entgegen. Endlich kam er am Teich an, wo Schlittschuhläufer übers Eis glitten, einige Hand in Hand, andere allein. Grace stand an der Seite, die Arme verschränkt.
J. C. hielt kurz inne, um sie zu betrachten. Er folgte der eleganten Kurve ihres
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