Julia Extra Band 372
kühl der Abend war. Bei den Arbeiten auf dem Dach war es in der Sonne angenehm warm gewesen.
Als er in seinen Wagen stieg, dachte er, dass die extremen Temperaturschwankungen sein Leben widerspiegelten. Wenn er im heißen Scheinwerferlicht seiner Klienten stand, war das Leben für ihn leicht. Er konnte sagen und tun, was gesagt und getan werden musste, denn er hatte stets Antworten für die Probleme anderer Leute parat. Nachts, wenn er allein war, wurde sein Leben kalt, schwer, unerträglich. Es gab Bücher für schwierige Lebenslagen, doch keins konnte ihm die Last seiner Verantwortung nehmen. Keiner konnte ihm sagen, es sei nicht seine Schuld gewesen, dass seine Frau ermordet worden war.
Daran musste er jedes Mal denken, wenn er in Elises grüne Augen sah. Sie hatte etwas Besseres verdient, als in sein Lebensdrama hineingezogen zu werden.
Er fuhr zu der Pension und wurde dort von einem älteren Herrn begrüßt. „Willkommen. Ich bin Dave, und Sie sind sicher Mr Johnson.“
„Ja“, sagte er und stellte seinen großen Koffer ab. Er hatte seit Langem die Kleidung in der Reisetasche aufgebraucht und musste jetzt auf die Sachen im Koffer zurückgreifen. „Gibt es hier in der Nähe ein Einkaufszentrum, wo ich mir ein paar Klamotten kaufen kann?“
„Pete hat alles Mögliche für den Alltagsgebrauch in seinem Laden. Und wenn Sie waschen möchten, wir haben unten eine Waschküche im Haus, die können Sie gern benutzen.“
„Vielen Dank. Ihre Stadt ist wirklich ein sehr gastfreundlicher Ort.“
„Das hören wir gern.“ Dave strahlte übers ganze Gesicht. „Wenn Sie noch irgendwas brauchen, dann melden Sie sich. Maude und ich sind stolz darauf, unseren Gästen einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten.“
Jared lächelte, ihm war aber auf einmal unbehaglich zumute. Er war es gewohnt, dass Leute sich ihm dienstfertig zeigten. Warum also fühlte sich das an diesem Abend so merkwürdig an? Warum würde er viel lieber in dem knarrenden alten Bett dieses Farmhauses schlafen, in dem die Wasserrohre im Bad und das Dach undicht waren?
Elise wachte am nächsten Morgen in einem sehr kalten Haus auf. Aber schließlich war es Dezember, und der war kalt in North Carolina, das wusste sie aus ihrer Kindheit. Die Schneesturmfront rückte immer näher, und vielleicht würden sie ja sogar weiße Weihnachten bekommen.
Als sie Molly angezogen hatte und auf den Flur hinaustrat, drang von unten Kaffeeduft herauf. Sie ging eilig hinunter und traf Jared am Küchentisch die Zeitung lesend an, vor sich eine Platte mit köstlichem Gebäck.
Er deutete darauf. „Nehmen Sie sich davon. Diese Maude kann wirklich wunderbar backen.“
Sie lachte fröhlich auf. Dieser Mann war wirklich komisch, aber dabei sehr sympathisch. Man konnte ihn nur schwer durchschauen, aber im täglichen Umgang war er sehr angenehm.
Sie setzte Molly in ihr Hochstühlchen und bereitete dann das Fläschchen zu.
Jared stand auf. „Lassen Sie mich das machen. Ich füttere Molly, und Sie trinken gemütlich Ihren Morgenkaffee und probieren von dem Gebäck.“
Sie wünschte sich, sie wäre hübscher, älter, klüger oder einfach so kultiviert, wie es für ihn angemessen war. Aber anscheinend störte ihn das nicht. Sie erkannte es an seinen sehnsüchtigen Blicken. Das Beste wäre, einfach die restlichen Tage mit ihm schön zu gestalten. Was danach folgte, würde sich zeigen.
Während sie die Frühstücksflocken für Molly anrührte, fragte sie: „Würden Sie mir dabei helfen, ein gebrauchtes Auto zu kaufen?“
„Da rufen Sie am besten Pete an. Er kann Ihnen einen Händler in der Gegend empfehlen, und dann können Sie mit meinem Wagen dorthin fahren.“
„Sie glauben wirklich, dass ich in der Lage bin, mir selbst ein Auto zu kaufen?“
„Trauen Sie sich das etwa nicht zu?“
„Ich habe so was noch nie gemacht. Da ich dafür einen großen Teil meiner Ersparnisse investiere, möchte ich keinen Fehlkauf riskieren.“
„Gut, Brent und Tim kommen heute sicher auch allein zurecht.“
„Wirklich? Toll, ich gehe schnell unter die Dusche und ziehe mich an.“ Sie eilte leichten Herzens aus der Küche, doch mitten auf der Treppe blieb sie stehen. Es war verdammt leicht gewesen, ihn umzustimmen. Er führte irgendetwas im Schilde, das spürte sie genau.
Und sofort schwante ihr Ungutes.
8. KAPITEL
Sobald sie gegangen war, zog Jared sein Handy aus der Tasche. Wenn er schon ein paar Stunden mit Elise zusammen sein konnte, dann wollte er das Beste daraus machen
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