Julia Extra Band 373
auf diesen Bechern trinken und sich an den heutigen Tag mit Marietta erinnern.
Zusammen verließen sie den Souvenirshop. „Jetzt beschreibe mir, wie unser Haus aussieht“, forderte er sie auf, als sie wieder vor der Tür standen.
„Reed, lassen wir dieses dumme Spiel. Außerdem … das Haus gibt es bestimmt schon lange nicht mehr.“
„Doch, es steht noch immer, wartet geduldig darauf, dass eine Familie es wieder mit Leben füllt.“
„Wirklich?“, fragte sie so leise, dass er sie fast nicht gehört hatte. „Es ist nie verkauft worden?“
„Nein.“ Er wich ihrem Blick aus. Denn sonst hätte sie in seinen Augen gesehen, dass er log. Aber warum sollte er es ihr sagen? Sie würde ja nicht ins Auto springen und die dreieinhalb Stunden Fahrt auf sich nehmen, um ins Rathaus zu stürmen und zu verlangen, den Grundbucheintrag einzusehen, oder?
„Reed …“
An ihrer Stimme konnte er hören, wie sie in die Realität zurückglitt. „Komm schon, Marietta. Wie sonst sollen wir uns die Zeit vertreiben? Erzähl mir, wie du dir das Haus vorstellst.“
„Das musst du doch tausendmal gehört haben.“
„Erzähl’s mir noch mal.“
Sie zögerte, dann fiel sie in seinen Schritt mit ein und begann leise mit ihrer Beschreibung. „Gehörte mir das Haus, würde ich einen weißen Holzzaun davor haben wollen. Weiße Fensterrahmen und dunkelgrüne Läden. Und Blumenkästen in dem gleichen Grün. Jedes Frühjahr würde ich Fleißige Lieschen in die Kästchen pflanzen.“ Sie wandte das Gesicht zu ihm. „Ich wollte immer Blumenkästen haben.“
„Ich weiß“, erwiderte er. Damals, als sie zusammen waren, hatten sie hundertmal darüber gesprochen. Auf dem Schulweg waren sie jeden Tag an dem Haus vorbeigekommen, und als er ihr einen Antrag gemacht und sie einen Winter lang seinen Ring getragen hatte, da hatten sie schon darüber nachgedacht, wie sie das Haus kaufen könnten und dort zusammen leben würden.
„Und die Küche würde ich …“ Ihr Handy klingelte, brach so den Bann. Marietta war sofort wieder ganz Geschäftsfrau, als sie sich meldete. „Marietta Westmore.“
Reed konnte die gehetzte Braut durch die Muschel hören. Still stöhnte er auf, hätte Marietta am liebsten das Telefon aus der Hand genommen und die berühmte Schauspielerin wissen lassen, wohin sie sich mit ihrer Krise scheren konnte.
„Ich bin sicher, Brock wird bald auftauchen. Nein, es ist bestimmt kein schlechtes Omen, dass ein Schwan im Country-Club gestorben ist. Vielleicht hat der Vogel einen verdorbenen Fisch gefressen.“ Mit entnervter Miene richtete sie den Blick auf Reed. „Der Schneesturm …?“ Noch schneite es, aber auf dem Bildschirm in der Wartezone zeigte die Wetterkarte eine weiße Wolke, die sich langsam nach Nordosten drehte, weg von Chicago. Das Unwetter verzog sich. „Ich bin sicher, es hört bald auf zu schneien.“
Dann würde Marietta ihrer Wege ziehen, und Reed würde zu seinem Meeting nach Boston fliegen, das wahrscheinlich längst ohne ihn angefangen hatte. Zum ersten Mal, seit er bei Bennett Financial arbeitete, störte ihn der Gedanke nicht, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach einen großen Deal abschreiben musste.
Drei Jahre lang ließ er sich jetzt von Zahlen seine Stimmung vorschreiben – Börsendaten, Terminkalender, Investmentsummen. Doch diesen Tag würde er nicht nach Zahlen verleben.
An diesem Tag würde er sich ausmalen, wie er abends in Whistle Creek war, die Stierbecher in der Winterberry Lane in die Küchenschränke stellen und sich dann mit Marietta im Arm vor den flackernden Kamin setzen würde. Und wenn sie dann morgen aufwachten, würde er die größte Douglasfichte fällen, die er im Wald finden konnte, und sie zusammen mit Marietta schmücken. Dann würde er abends ins Bett gehen und am Weihnachtsmorgen mit dem einzigen Geschenk aufwachen, das er sich wirklich wünschte.
Marietta.
Heute würde Reed Hartstone so tun, als wäre das „Was wäre, wenn“ die Wirklichkeit. Und vielleicht, aber auch nur vielleicht, konnte er Marietta dazu bringen, es ebenfalls vorzugeben.
Diesmal dauerte es länger, aber nach zehn Minuten hatte Marietta es geschafft, dass Penelope sich beruhigte. Mit einem schweren Seufzer klappte sie ihr Handy zusammen und ging zu der Fensterfront. Weg von Reed.
Nur noch einzelne Schneeflocken fielen vom Himmel. Schneepflüge räumten die Startbahnen, Bodencrews fegten die Flügel der still stehenden Flugzeuge frei.
Vielleicht hatte Reed ja recht. Vielleicht bemühte
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