Julia Extra Band 373
müssen, was sich ihr bot? „Hat die Wahrsagerin letzte Woche nicht noch versichert, dass Brock der Richti…“
„Oh, es klingelt. Das ist meine Maniküre.“ Das Finstere wich aus Penelopes Stimme, sie klang jetzt munter und aufgeregt. „Ich muss Schluss machen. Komm her, Pixie, du darfst zusehen, wie Frauchens Nägel gemacht werden.“
Und damit war Penelopes Welt wieder in Ordnung, die Krise abgewendet mit einem Fläschchen Nagellack.
„Wie geht es der Braut?“
„Sie kann weder ihren Bräutigam noch ihre Perlhühner finden, ihr Kleid steckt in Chicago fest, aber immerhin werden jetzt ihre Nägel manikürt.“
„Ah, ihre Prioritäten sind wohl geordnet.“
Marietta lachte. „Schade nur, dass die sich so von den Leuten in ihrem Umfeld unterscheiden. Aber so schlimm ist sie eigentlich gar nicht.“
„Aber kommen wir doch wieder zum Thema zurück …“
Als er näher kam, berührte sie mit der Hand seine Brust: muskulös und fest – genauso so hatte sie sie in Erinnerung. Wie sehnte sie sich danach, die Haut darunter zu fühlen, wieder das Gefühl zu empfinden, wie es war, seinen Körper an ihrem zu spüren, in dem großen Bett, unter dem warmen Duvet … Doch das wäre ein Fehler. In ihrem Leben gab es weder Zeit noch Raum für jemanden wie Reed.
Denn sie wusste, wenn sie Reed ihr Herz schenkte, dann wollte er alles von ihr. Er war kein Mann für halbe Sachen. Die Erfahrung hatte sie mit ihm bereits hinter sich.
Er war der Typ, der Wurzeln schlug und an das „Für immer“ glaubte. Sie dagegen blieb nicht einmal lange genug an einem Ort, um einen Garten zwei Frühjahre hintereinander zu bearbeiten, oder um sich die Mühe zu machen, den Briefkasten mit ihrem Namensschild zu versehen.
Sie war nicht geschaffen für das Leben, das Reed sich vorstellte. Sollte sie sich noch einmal mit ihm einlassen, so würde sie Platz schaffen müssen für einen Ehemann, ein Heim, Kinder … in einem Leben, das bereits voll ausgefüllt war von ihrem Laden und ihren Kunden. Noch dazu zu einem Zeitpunkt, an dem es steil bergauf ging.
„Ich kann nicht, Reed. Ich kann nicht dahin zurückkehren, wo wir aufgehört haben.“
„Kannst du nicht … oder willst du nicht?“
„Mein Laden ist mein Leben, Reed. Ich muss ständig präsent sein und mich darum kümmern. Verstehst du denn nicht? Gerade jetzt entwickelt sich etwas Großartiges. Mit diesem Deal hier …“, sie klopfte auf den Kleidersack, „… sind meine Brautkleider landesweit bekannt geworden. Ich kann alles erreichen, wenn ich meine Karten richtig ausspiele.“
„Das große Geschäft, der eigene Betrieb, Erfolg und Reichtum …“ Er hielt ihren Blick gefangen. „Und niemand, mit dem du es teilen kannst. Ganz oben an der Spitze wird es einsam, Marietta.“
„Ich bin nicht einsam. Ich habe Freunde. Ich gehe aus.“
Nur … wann war sie das letzte Mal ausgegangen? Wann hatte sie das letzte Mal den Telefonhörer in die Hand genommen und Leute angerufen, einfach nur, um zu reden? Sie schwor sich, dass sie das nachholen würde, sobald sie wieder in der Stadt war.
Reed fasste sie bei der Hand. „Ist es wirklich das Leben, das du dir wünschst?“
„Natürlich. Es ist das, was ich immer erreichen wollte.“
„Ich lebe dieses Leben jetzt schon mehrere Jahre, Marietta. Wenn man erst einmal mittendrin ist, stellt man fest, dass es nicht so toll ist, wie man es sich von außen betrachtet vorgestellt hat. Man zahlt einen Preis dafür, wenn man auf der Leiter immer nur nach oben sieht. Man verpasst vieles.“
„Ich verpasse nichts.“
Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „So?“
Sie hörte den leichten Spott in seiner Stimme und musste sofort an Penelope denken. „Nein, ich verpasse nichts“, wiederholte sie.
Er nickte nur. „Komm, lass uns das mit dem ‚Was wäre, wenn‘ ausprobieren.“
„Reed …“
„Es gibt doch sonst nichts zu tun.“ Mit einer ausholenden Geste zeigte er auf die Hunderte von Passagieren, die sich auf den Sitzen und dem Boden lümmelten und genau das taten – nichts. „Da können wir es doch wenigstens versuchen.“
Gerade wollte sie etwas erwidern, aber Reed unterband ihren Protest, indem er sie in einen Souvenirshop zog. Weihnachtsmusik spielte aus den Lautsprechern, eine der Verkäuferinnen trug ein Armband mit Weihnachtsglöckchen, die bei jeder Bewegung klingelten wie ein wild gewordenes Rentier.
Reed lehnte sich vor, um Marietta ins Ohr zu flüstern: „Was, wenn das Kleid für dich gedacht wäre? Wenn du
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