Julia Extra Band 373
retten, obwohl du unterwegs warst. Aber ich bin ja kein Unmensch. Ich habe dir ein Dach über dem Kopf geboten, du hattest zu essen, Kleidung, eine gute Schulbildung. Alles, was von einem Vater erwartet wird.“
Wie ein Film lief Avas Kindheit plötzlich vor ihren Augen ab. „Nein“, widersprach sie leise. „Du konntest meinen Anblick nie ertragen. Jetzt endlich kenne ich den Grund.“
„Wie denn auch?“, schrie Thomas zornig. „Jeden Tag hast du mich an den Fehltritt meiner Frau erinnert. Es war grauenhaft. Aber ich hatte sie geheiratet und war somit verantwortlich für sie. Und ich musste an Gina und Bella denken. Ich habe meine Pflicht getan, und das war mehr, als deine Mutter verdient hat.“
Die Tür wurde aufgestoßen. „Thomas, ich glaube, das reicht jetzt. Du kannst das Mädchen nicht für alles verantwortlich machen, was du durchmachen musstest“, sagte Janet freundlich, aber bestimmt.
Ava war noch immer völlig verstört und reagierte wie in Trance. „Ich muss jetzt gehen“, sagte sie leise und wandte sich um.
„Das wird das Beste sein. Sie erinnern Thomas an eine sehr unglückliche Zeit“, sagte Janet und begleitete sie zur Tür.
Benommen, als hätte sie eine Gehirnerschütterung davongetragen, begab Ava sich auf den Rückweg zum Schloss. Ich bin ein Kuckuckskind, ging ihr immer wieder im Kopf herum, wie eine Endlosschleife. Ich bin ein Kuckuckskind.
Vito ließ sich im Helikopter zurück zu seinem Anwesen fliegen, teilte dem Piloten mit, in einer Stunde ginge es zurück nach London und machte sich auf die Suche nach Ava.
„Wissen Sie, wo Ava ist?“, fragte Damien hoffnungsvoll, als Vito näher kam. „Ich sollte sie um ein Uhr hier abholen, aber sie ist ausgegangen. Offensichtlich hat sie den Termin vergessen.“
„Wo wollten Sie denn hin?“, erkundigte Vito sich geradeheraus.
„Im Waldstück einen Weihnachtsbaum aussuchen. Ich hatte gehofft, anschließend mit Ava zu Mittag zu essen“, fügte der Gutsverwalter lächelnd hinzu.
Der Typ macht sich Hoffnungen! Das würde er nicht wagen, wenn Ava nicht so ein Geheimnis um ihre Affäre machen würde. Vito schluckte seine Eifersucht hinunter und atmete tief durch. „Ich werde den Baum morgen selbst mit ihr aussuchen“, sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
Damien runzelte erstaunt die Stirn und nickte dann. „Richten Sie ihr bitte aus, es täte mir leid, sie verpasst zu haben“, sagte er kühl.
„Sicher.“ Vito wandte sich ab. Fand sie diesen Skeel etwa attraktiv? Sollte deshalb niemand wissen, dass sie mit ihm, Vito, liiert war? Seine anderen Freundinnen hatten keine Gelegenheit verpasst, sich in der Öffentlichkeit an seiner Seite zu zeigen und mit ihm anzugeben. Nicht so Ava. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie ihn in ihr Bett gelassen hatte. Sie war unglaublich diskret und weigerte sich sogar, ihn auf dem Handy anzurufen oder eine SMS zu schicken.
Und wo steckte sie jetzt? Suchend ließ er den Blick über das Anwesen schweifen. Dort am anderen Ende der Auffahrt bewegte sich etwas. Tatsächlich, das war Ava! Ihr graziöser Gang war trotz der unattraktiven Kleidung unverkennbar. Wahrscheinlich würde es gleich zum Streit kommen, denn Ava würde wohl kaum freiwillig mitkommen. Ich lasse ihr einfach keine Wahl, dachte er unbekümmert.
„Ava …“ Vito ging ihr einige Schritte entgegen.
Gedankenverloren sah sie auf und stutzte. Was machte Vito denn schon so früh hier? Normalerweise kehrte er erst nach Einbruch der Dunkelheit zurück. Hingerissen von seiner blendenden Erscheinung und dem sexy Lächeln wurde sie vorübergehend von ihren verstörenden Gedanken abgelenkt. Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen. Doch das hätte sein Ego nur unnötig vergrößert. Ich kann ebenso cool sein wie er, dachte Ava resolut.
Vito stellte sich in Positur und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das sie normalerweise misstrauisch gemacht hätte. „Wir gehen auf Einkaufstour.“
Verständnislos blinzelte sie. Wovon redete er? Irgendwie drang nichts zu ihr durch, als befände sie sich hinter Panzerglas.
„Wir können sofort los.“ Zärtlich umfasste Vito ihre Hand.
Doch Ava befreite sich sofort. „Nicht, man könnte uns beobachten.“
„Na und? Solange wir es nicht mitten auf dem Rasen miteinander treiben“, entgegnete er beleidigt.
„Jetzt werd nicht ordinär!“
Langsam verlor Vito die Geduld. Keine andere Frau hatte je auch nur im Traum daran gedacht, ihn zurückzustoßen. Einige
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