Julia Extra Band 373
jede Nacht zusammen. Sie frühstückten sogar gemeinsam in aller Herrgottsfrühe, obwohl Ava noch gar nicht ganz wach war, aber Vito bestand darauf. Und wenn sie bei seiner Rückkehr am Abend nicht gleich zur Stelle war, suchte er das Schloss nach ihr ab, bis er sie gefunden hatte. Sie wusste, dass er sie gernhatte, seine Fairness beeindruckte sie sehr, und natürlich machte sie sich etwas aus ihm. Aber es ist nur Sex, redete sie sich energisch ein. Eigentlich ließ sie das Ende der Affäre in sechs Tagen doch ganz gelassen auf sich zukommen, oder? Sie war eben nicht mehr der von Vito besessene Teenager, der so viel Leid verursacht hatte.
Das gepflegte Einfamilienhaus, in dem Ava aufgewachsen war, wurde von einer hohen Hecke umsäumt und lag am Dorfrand, etwa fünf Kilometer vom Schloss entfernt. Ava machte sich zu Fuß auf den Weg. Damien Skeel war zwar angewiesen worden, ihr einen Wagen mit Chauffeur zur Verfügung zu stellen, doch bei diesem schweren Gang konnte Ava keine Zeugen gebrauchen.
Sie atmete noch einmal tief durch und drückte dann nervös auf den Klingelknopf.
Eine ihr fremde Frau öffnete die Tür. Ava wunderte sich. War ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter fortgezogen? „Ich suche Thomas Fitzgerald“, erklärte sie der blonden Frau mittleren Alters. „Ist er weggezogen?“
„Nein, er wohnt noch hier. Ich bin seine Frau. Und wer sind Sie?“
„Oh.“ Offensichtlich hatte ihr Vater keine Zeit verloren, wieder zu heiraten. Na ja, daraus konnte sie ihm keinen Vorwurf machen, denn die Ehe ihrer Eltern war ja sehr unglücklich gewesen. „Ich bin seine jüngste Tochter Ava.“
„Ach.“ Das höfliche Lächeln verflog sofort. Die Frau wandte sich um und rief: „Ava ist hier.“
Ihr Vater, groß, hager, mit grauem Haar und kühl blickenden blauen Augen, kam aus der Küche. „Ich kümmere mich darum, Janet. Komm rein, Ava!“, forderte er sie auf.
Immerhin lässt er mich ins Haus, dachte Ava. Damit hatte sie fast nicht gerechnet, nachdem die ganze Familie sie drei Jahre lang komplett ignoriert hatte. Sie wurde ins Esszimmer geführt, wo ihr Vater am Kopfende des großen Tisches Platz nahm, um möglichst großen Abstand zu halten. Ava bot er keinen Stuhl an. In der Beziehung hatte sich nichts geändert. Ava unterdrückte ein verbittertes Lachen und kam direkt zur Sache. „Du wunderst dich sicher über meinen Besuch.“
„Wenn du Unterstützung willst, bist du hier an der falschen Adresse.“ Thomas Fitzgerald musterte sie abweisend.
„Nein, deshalb bin ich nicht hier, Dad. Ich habe meine Strafe verbüßt, das alles liegt hinter mir. Natürlich ist mir bewusst, dass ich der Familie große Schwierigkeiten gemacht habe, aber ich …“ Ava wurde blass und wusste nicht, wie sie ihre Gefühle ausdrücken sollte, wenn ihr Vater sie so angewidert anblickte.
„War ja klar, dass du früher oder später hier auftauchen würdest“, meinte ihr Vater mürrisch. „Hör zu, Ava! Ich will es kurz machen: Ich bin nicht dein Vater und habe keine Verpflichtungen dir gegenüber.“
Ava hatte das Gefühl, als würde der Boden unter ihren Füßen nachgeben. „Nicht … mein Vater? Wie … wie meinst du das?“
„Solange deine Mutter noch lebte, war das ein Geheimnis. Doch damit ist jetzt Schluss“, erklärte er sichtlich befriedigt. „Meine Frau und deine Halbschwestern wissen Bescheid, dass du nicht zur Familie gehörst. Deine Mutter – Gemma – wurde schwanger, nachdem sie mich mit einem anderen Mann betrogen hatte. Natürlich war sie mal wieder betrunken und hatte keine Ahnung, wer der Mann war.“
Ava zuckte zusammen, als hätte sie jemand geschlagen. Das war ja unfassbar! Nein, das konnte nicht sein!
„Eine erbärmliche Geschichte, ich weiß. Aber leider die Wahrheit. Ich habe einen Vaterschaftstest machen lassen, als du sieben Jahre alt warst. Du bist definitiv nicht mein Kind, Ava.“
„Aber wieso hat mir niemand je etwas davon gesagt?“ Ava war fassungslos, in ihrem Inneren zog sich alles zusammen. „Wieso hast du dich nicht scheiden lassen?“, fragte sie schließlich leise.
„Was hätte das denn gebracht?“ Verbittert schüttelte Thomas Fitzgerald den Kopf. „Gemma war Alkoholikerin, ich hatte zwei Töchter mit ihr. Was wäre wohl aus ihnen geworden, wenn ich sie im Stich gelassen hätte? Und da ich Geld verdienen musste, konnte ich sie auch nicht allein erziehen. Außerdem hätten die Leute sich die Mäuler zerrissen. Das wollte ich nicht. Also habe ich versucht, die Ehe zu
Weitere Kostenlose Bücher