Julia Extra Band 373
bisherigen Leben. Sie ist zweiundzwanzig, strebt nach Unabhängigkeit und kann selbst entscheiden, wie sie ihre Zeit verbringt.“
„Sie ist noch sehr unerfahren.“
„Ja, was ich ungewöhnlich reizvoll finde.“
„Hat das vielleicht auch etwas mit der Tatsache zu tun, dass Sie ganz bestimmt der letzte Mann wären, den ihr Vater sich an ihrer Seite wünscht? Allein die Vorstellung, dass sie mit Ihnen zusammen ist, wird ihn wahnsinnig machen.“
Stefan lächelte. „Darin besteht ein zusätzlicher Reiz.“
„Ich mache mir Sorgen um sie, Stefan“, beharrte Maria.
„Sie ist zu mir gekommen. Sie hat mich um Hilfe gebeten. Ich helfe ihr.“ Natürlich hatte auch er gemerkt, dass da noch irgendetwas dahintersteckte. Er wusste nicht genau, was für ein Spiel sie spielte, aber gerade das machte es so spannend. „Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie sich schon einmal so schützend vor eine Frau gestellt haben, mit der ich verabredet war.“
„Weil Sie sich normalerweise mit Frauen treffen, die keinen Schutz benötigen.“
„Höchste Zeit für etwas Abwechslung.“ Stefan stand auf. „Wie lange braucht sie noch, bis sie fertig ist?“
„Oh, sie wusste in weniger als fünf Sekunden, welches Kleid sie wollte, und hat auch nicht viel mehr gebraucht, um es anzuprobieren.“
„Sie gefällt mir immer besser“, meinte Stefan beeindruckt.
„Und sie hat eine sehr hohe Meinung von Ihnen.“
„Ich weiß.“ Er ging zur Tür.
„Wo bleibt Ihr Gewissen?“, rief Maria ihm frustriert nach.
Er nahm sein Jackett. „Ich habe kein Gewissen.“
Staunend betrat Selene Stefans Villa, einen luftigen Bau mit hohen Decken und großen Glasfronten. In diesem Bekenntnis zur modernen Architektur war kein Platz für düstere Ecken oder bedrückende Finsternis, sondern nur Helligkeit und Licht, das sich in den Marmorböden spiegelte und die warmen, mediterranen Farben zum Strahlen brachte, die das betont schlicht eingerichtete Interieur in ein luxuriöses und dennoch wohnliches Heim verwandelten.
Draußen gelangte man über eine angenehm schattige, von dichtem Wein berankte Terrasse in einen üppig blühenden Garten, der sanft zu einer kleinen Bucht mit Sandstrand abfiel. Selbst hier kannte die Idylle noch kein Ende. Denn anders als auf Antaxos, wo die bedrohlichen Felsen wie Monsterzähne aus Untiefen aufragten, die jeden zu verschlingen drohten, der sich der Küste der Insel zu nähern wagte, gab es hier nur feinsten Sand und flaches, klares Wasser, in dem silberne Fischchen glitzerten.
„Deshalb sind die griechischen Inseln also bei den Touristen so beliebt“, bemerkte sie versonnen.
Stefan schaute sie fragend an. „Gab es einen Grund, daran zu zweifeln?“
Sie blickte durch die großen Panoramafenster über den Garten auf das blaue Meer hinaus und hatte das Gefühl, nach einem Leben in Schwarzweiß die Welt urplötzlich in Farbe zu sehen. „Antaxos ist ganz anders. Kein weicher Sand, nur scharfe Felsen …“ Sie dachte an das Gerücht, dass es hieß, eine Frau habe sich einst von diesen Felsen in den Tod gestürzt, weil sie unsterblich in ihren Vater verliebt gewesen sein solle. „Das Haus meines Vaters ist aus dicken Steinen gebaut mit kleinen Fenstern, was die Hitze abwehren soll. Tatsächlich aber ist es wie eine Festung, stickig im Sommer und düster und trostlos im Winter. Mir gefällt das viele Licht in deiner Villa. Du hast ein sehr … glückliches Zuhause.“
„Glücklich?“ Er blickte sich verwundert um. „Glaubst du, dass ein Haus Stimmungen hat?“
„Ganz bestimmt. Und es kann die unterschiedlichsten Gefühle im Menschen wecken. Die viele Sonne hier lässt dich lächeln. Und der luftige Raum … gibt dir das Gefühl, frei zu sein.“ Sie breitete die Arme aus. „Ich habe mir immer gewünscht, ein Vogel zu sein und fliegen zu können.“ Fortzufliegen von der Insel, auf der sie so lange gefangen gewesen war.
Doch sie war endlich entkommen. Sie hatte es geschafft. Das war der Beginn eines neuen Lebens. Aufgeregt wirbelte sie herum.
Stefan streckte eine Hand aus und hielt sie sanft, ehe sie das Gleichgewicht verlor. „Es wäre vielleicht besser, hier nicht abzuheben. Ich kenne Fotos von deinem Zuhause auf Antaxos. Das ist ein Bau wie ein Schloss.“
„Aber innen ist es ganz anders“, erwiderte sie. „Meinem Vater gefällt es nicht, Geld für materiellen Luxus auszugeben.“
„Gibt es denn etwas, das deinem Vater gefällt?“
Anderen Menschen wehzutun. „Gewinnen“, antwortete
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