Julia Extra Band 373
war ihren Job auf der Stelle wieder los. Inzwischen hatte sie ja genug Gelegenheit gehabt zu lernen, sich an Regeln zu halten.
„Lass deine Lippe in Ruhe, und sieh mich nicht so an!“, sagte Vito warnend.
Wie hatte sie ihn denn angesehen? Sie war sich keiner Schuld bewusst. Trotzig hob sie das Kinn. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“
Betont unbeeindruckt musterte er sie. „Die Rolle der Verführerin brauchst du mir nicht vorzuspielen. Ich bin immer noch nicht interessiert.“
Wütend über diese erniedrigende Anspielung funkelte Ava ihn an. „Um mal eine Sache von vornherein klarzustellen, Vito: Ich bin nicht mehr das alberne, verknallte Mädchen, das du mal als Landplage bezeichnet hast. Und du bist wie alle anderen Männer, die nicht zu ihren Fehlern stehen.“
„Was soll denn das heißen?“, fuhr er sie impulsiv an. Mit einer Gegenattacke hatte er nicht gerechnet.
„Ich bin keine verführerische Eva, der kein Mann widerstehen kann. Was damals geschehen ist, war nicht ausschließlich meine Schuld. Du hast mich geküsst, weil du es wolltest und nicht, weil ich dich dazu gezwungen habe.“ Verächtlich blitzte sie ihn mit ihren strahlend blauen Augen an. „Sei ehrlich zu dir selbst, und wälze die Schuld nicht auf mich ab!“
Blinde Wut tobte in ihm. Wenigstens überlagerte sie Vitos heißes Begehren, das er noch immer für Ava empfand. Damals hatte er sich seiner Gefühle geschämt, denn er war ein erwachsener Mann mit Prinzipien gewesen, und der fing ganz sicher nichts mit einem Teenager an! Das hätte unweigerlich zu einem Desaster geführt. Vito hatte sich bemüht, die Situation zu entschärfen, und es wäre sicher alles gut gegangen, hätte Ava mit ihrem Temperamentsausbruch nicht das genaue Gegenteil erreicht und Vitos Leben zerstört. Und das von Olly.
„Ich denke nicht daran, mit dir über die Vergangenheit zu diskutieren“, teilte er ihr in scharfem Tonfall mit. „Kauf dir neue Schuhe, und arbeite die Liste ab, Ava!“
Am liebsten hätte sie die Anordnung ignoriert und sich gegen Vitos Beschuldigungen verteidigt, denn dazu hatte sie bisher nie Gelegenheit gehabt. Olly war damals dazwischengegangen. Doch jetzt war wohl der falsche Zeitpunkt. Im Gegensatz zu dem emotionalen Teenager sah die erwachsen gewordene Ava das ein. Sie atmete einige Male tief durch, bedachte Vito mit einem vernichtenden Blick und marschierte zur Tür.
„Du bist tatsächlich erwachsen geworden“, bemerkte Vito aalglatt und behielt damit das letzte Wort.
Karen Harper legte gerade den Telefonhörer auf, als Ava ihr Büro betrat. Sauertöpfisch fragte die Bürovorsteherin: „Sie wollen die Firmenkreditkarte abholen?“
Ava nickte wortlos und zeigte ihr die Geschenkliste.
Karen überflog das Papier. „Ihnen ist hoffentlich klar, dass ich Ihre Einkäufe genauestens überprüfen werde. Ich rate Ihnen außerdem, im finanziellen Rahmen zu bleiben. Versuchen Sie, so wenig wie möglich auszugeben!“
„Selbstverständlich.“
„Offensichtlich traut Mr Barbieri Ihnen diese schwierige Aufgabe zu, weil er Ihre Familie kennt“, fuhr Karen kühl fort und zeigte deutlich, was sie von dieser Entscheidung hielt. „Aber leider ist Einkaufen keine Arbeit.“
„Ich erledige lediglich, was mir aufgetragen wurde“, gab Ava zurück, drehte sich um und verließ das Büro. Sie war froh, dieser Karen Harper in den nächsten zwei Tagen aus dem Weg gehen zu können.
Ava setzte sich an ihren Schreibtisch und ging die Liste durch. Ich soll also Geld sparen, dachte sie. Darin bin ich Weltmeisterin. Ihre Familie hatte sie immer so knapp gehalten, dass Ava schon früh gezwungen gewesen war, sich etwas dazuzuverdienen und ihre Ausgaben klug zu kalkulieren. Vielleicht fand sie einige Geschenke in dem Katalog, den Marge ihr mitgegeben hatte. In Zeiten der Geldknappheit war es doch wohl durchaus angemessen, karitative Organisationen zu unterstützen. Im Internet recherchierte sie, ob sie etwas über die Interessen der zu Beschenkenden herausfinden konnte. Die Suche erwies sich als überaus erfolgreich. Eifrig machte Ava sich Notizen zu den jeweiligen Namen auf der Liste. Anschließend legte sie eine kurze Pause ein, um ein Foto von Harvey ans Schwarze Brett zu hängen. Vielleicht fand sich unter den Mitarbeitern jemand, der den Hund bei sich aufnehmen wollte. Einen Versuch war es jedenfalls wert. Bei Marge konnte Harvey höchstens zwei weitere Wochen bleiben, dann erwartete sie den nach Weihnachten üblichen Zustrom
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