Julia Extra Band 373
Ava hatte sich sehr viel Mühe gegeben. Die schien sich gelohnt zu haben, denn als Ava mit den Kindern tanzte, die sie beaufsichtigte, bemerkte sie, dass Vito an der Tür stand und sie beobachtete. Sie hatte Champagner getrunken, um sich Mut zu machen. Normalerweise rührte sie keinen Alkohol an, weil sie Angst hatte, sie könnte die Schwäche ihrer Mutter geerbt haben.
Ava konnte sich nicht erinnern, wann sie zum ersten Mal bemerkt hatte, dass ihre Mutter anders war als andere Mütter. Wenn sie aus der Grundschule nach Hause gekommen war, hatte ihre Mutter oft sternhagelvoll im Bett gelegen. Außerdem stritten ihre Eltern ständig, und ihre Mutter verhielt sich seltsam distanziert ihr gegenüber. Von ihrem Vater ganz zu schweigen. Von Anfang an fühlte Ava sich ungeliebt und ungewollt. Sie war zehn Jahre nach ihrer ältesten Schwester Bella auf die Welt gekommen. Vermutlich ungeplant und tatsächlich ungewollt. Jedenfalls hatten ihre Eltern nie Zeit für sie.
Trotzdem hatte sie ihre Mutter geliebt. Gemma Fitzgerald war plötzlich und unerwartet gestorben, als Ava ihre Gefängnisstrafe absaß. Dieser Schicksalsschlag setzte ihr sehr zu, zumal sie gehofft hatte, mit den Jahren doch noch eine engere Beziehung zu ihrer Mutter aufbauen zu können. Als Teenager hatte sie erkannt, dass ihre Mutter ein schweres Alkoholproblem hatte. Überall im Haus hatte sie ihre Alkoholverstecke. Im Laufe des Tages wurde sie immer betrunkener. Am frühen Abend lag sie dann reglos auf dem Sofa. Avas Vater und ihre Schwestern hatten Gemmas Alkoholismus ignoriert und das Problem unter den Teppich gekehrt. Von Scheidung wurde gesprochen, aber nie von einem Entzug. Bis ihre Mutter alkoholisiert Auto gefahren und von der Polizei erwischt worden war. Ihr Vater hatte getobt und um seinen guten Ruf gefürchtet, als darüber in der Lokalzeitung berichtet wurde. Fortan gab es kein Pardon mehr: Gemma musste den Führerschein abgeben und eine Entziehungskur machen. Blass, in sich gekehrt und – endlich – nüchtern kehrte sie schließlich aus der Klinik zurück.
Als Ava bei der Weihnachtsparty Vitos Blicke auf sich spürte, beschloss sie, den Stier bei den Hörnern zu packen. Diesen Entschluss würde sie bis ans Ende ihrer Tage bereuen. Vito hatte sich in die Bibliothek zurückgezogen, wo er mit einem Glas in der Hand am Kamin stand, als Ava ihn schließlich aufgespürt hatte. Bei dem unwiderstehlichen Anblick war sie hingerissen gewesen.
„Was willst du?“, hatte er nervös und abweisend zugleich gefragt.
Ava hatte sich auf eine Tischkante gesetzt, wobei ihre langen Beine prachtvoll zur Geltung gekommen waren. Sorgfältig zog sie den Kleidersaum einige Zentimeter nach unten, sah dann auf und begegnete Vitos feurigem Blick. Das gab den Ausschlag. „Ich will dich“, gestand sie unverblümt.
Vito musterte sie abfällig, was ihrer Hochstimmung sofort einen Dämpfer verpasste. „Du wärst mir nicht gewachsen. Such dir einen Jungen in deinem Alter. Den kannst du vielleicht mit deinen Reizen beeindrucken.“
„Du willst mich doch auch. Meinst du, das hätte ich nicht gemerkt?“ So schnell gab sie nicht auf. Vito sollte wenigstens zugeben, dass er sie begehrte.
„Es wird Zeit für dich, nach Hause zu gehen und wieder nüchtern zu werden“, entgegnete er verächtlich. „Morgen schämst du dich wahrscheinlich für deinen Auftritt hier.“
Ava himmelte ihn weiter an und zog einen Schmollmund. „Mir ist so leicht nichts peinlich. Außerdem bin ich volljährig.“
„Physisch vielleicht, geistig sicher nicht“, konterte er und kam näher. „Geh nach Hause, Ava! Ich habe keine Lust auf diesen Unsinn.“
„Mit mir könntest du mehr Spaß haben, als mit all den Frauen, die du hier anschleppst.“
„Mir ist aber nicht nach Spaß.“ Vito blieb direkt vor ihr stehen. „Du interessierst mich nicht, Ava. Ein kleiner Tipp am Rande: Die meisten Männer gefallen sich in der Rolle des Eroberers. Dein Direktangriff ist ein echter Lustkiller.“
Das wollen wir doch mal sehen, dachte Ava wütend, rutschte vom Tisch und legte Vito die Arme um den Nacken. „Ich glaube dir nicht, Vito.“ Seine weit geöffneten Pupillen bewiesen das Gegenteil. „Du lügst. Warum kannst du nicht ein einziges Mal ehrlich sein?“
„Ava“, stöhnte er frustriert und wollte ihre Hände wegziehen.
Doch Ava stellte sich blitzschnell auf die Zehenspitzen und küsste Vito sehnsüchtig. Im ersten Moment erstarrte er, doch dann verlor er die Kontrolle, presste seine
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