Julia Extra Band 373
ausgesetzter Tiere. Hoffentlich bekam Harvey bald ein neues Zuhause. Sonst musste die treue Seele eingeschläfert werden. Traurig ließ Ava bei dieser Vorstellung den Kopf hängen. Wie gern hätte sie den Hund selbst behalten, doch das war ja leider nicht möglich.
Schließlich hatte sie genug Informationen gesammelt, um mit dem Einkauf zu beginnen, und verließ das Firmengelände. Zuallererst erstand sie ein Paar Schuhe, die sie nicht bei jedem Schritt zu verlieren drohte. Ava nahm sich vor, Vito das Geld so bald wie möglich zurückzuzahlen.
Es fiel ihr schwer, sich auf die Einkaufsliste zu konzentrieren, weil sie immer wieder an die Weihnachtsparty zurückdenken musste, die ein so tragisches Ende gefunden hatte.
Jedes Jahr veranstaltete Vito für seine engsten Mitarbeiter, die Angestellten auf Bolderwood Castle, Pächter und Nachbarn eine Weihnachtsparty, wie es schon zu viktorianischen Zeiten Brauch gewesen war. Ava war so sehr in Vito verknallt gewesen, dass sie ohne Begleitung auf der Party erschienen war.
„Du hast dich da in etwas verrannt“, hatte Olly frustriert geschimpft, weil sie so vollkommen fixiert auf Vito gewesen war. „Er steht nicht auf Teenager. Für ihn bist du sowieso noch ein halbes Kind. Je eher du ihn dir aus dem Kopf schlägst, desto besser.“
„Ich werde im April neunzehn und bin ziemlich reif für mein Alter“, hatte Ava protestiert.
„Wer sagt das?“ Der blonde blauäugige, sonst so sanftmütige Olly lachte nur höhnisch. Im Gegensatz zu seinem Bruder hatte er nicht das mediterrane Aussehen des Vaters, sondern den hellen Teint der englischen Mutter geerbt. „Wenn du so erwachsen wärst, wie du behauptest, hättest du dir wohl kaum diese alberne Tätowierung auf die Hüfte stechen lassen.“
Natürlich hatte Olly recht gehabt. Wäre sie auf der Auslandsklassenfahrt nicht so betrunken gewesen und nicht so unglücklich verliebt, wäre es niemals dazu gekommen. Jetzt war sie für den Rest ihres Lebens gezeichnet. Inzwischen konnte sie selbst nicht mehr nachvollziehen, welcher Teufel sie damals geritten hatte. Sollte sie sich einem Mann wirklich mal nackt zeigen, würde sie wahrscheinlich vor Scham im Boden versinken.
Wieder kreisten ihre Gedanken um die Party damals. Sie hatte auf den Gothic Look verzichtet und sich richtig schick gemacht. Obwohl sie auch in ihrem üblichen schwarzen Lederminirock und Stiefeln durchaus Vitos Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Sich dessen bewusst zu sein, machte sie aber nicht gleich zum verführerischen Vamp, oder? Da Vitos Freundinnen ausnahmslos elegant gekleidet waren, hatte Ava es aber auch mal mit diesem Look versuchen wollen, zumal Vito gerade Single gewesen war.
Ava hatte sich mit sechzehn Jahren auf den ersten Blick in Vito Barbieri verknallt und gespürt, dass er auch nicht unbeeindruckt geblieben war, als sie einander angeschaut hatten. Ein gutes Jahr später war sie zu dem Schluss gelangt, Vito kämpfe gegen seine Gefühle für sie an. Wenn möglich ging er ihr aus dem Weg, und wenn sie doch mal in seiner Nähe auftauchte, behandelte er sie wie ein kleines Mädchen. Allerdings hatte sie immer mal wieder seine Blicke auf sich gespürt, triumphierend vor sich hingelächelt und sich vorgenommen, auch weiterhin ins Schloss zu kommen, wenn Vito sich dort aufhielt. Vielleicht gelang es ihr ja eines Tages, ihn aus der Reserve zu locken. Ollys Warnung, sie verschwende nur ihre Zeit, wenn sie weiterhin von Vito träumte, hatte sie in den Wind geschlagen.
Rückblickend schämte Ava sich für ihr damaliges Verhalten. Wie hatte sie sich nur einbilden können, dass ausgerechnet sie Vitos Freundin werden könnte? Schließlich war sie nur die Tochter eines seiner Angestellten, der mit seiner Familie in der Nahbarschaft wohnte. Und die beste Freundin seines kleinen Bruders Olly. Eine achtzehnjährige Abiturientin, die sich nicht einmal anständig zu kleiden wusste. Leider setzte der gesunde Menschenverstand bei Ava aus, sobald Vito in der Nähe war.
Die gesamte Familie Fitzgerald hatte die Weihnachtsparty besucht. Ava in einem silbrig schimmernden Minikleid. Ursprünglich war es ein bodenlanges Abendkleid gewesen und hatte Gina gehört, die es in die Altkleidersammlung gegeben hatte. Ava hatte es wieder herausgefischt und umgeändert. Sie war es gewohnt, die abgelegten Sachen ihrer Schwestern zu tragen, denn für Ava war nie Geld da, wenn sie mal etwas Neues brauchte.
Das Kleid war nicht zu kurz, ihr Make-up dezent, die Frisur schlicht.
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