Julia Extra Band 374
näherte, wurde Meg klar, dass sie noch nie in ihrem Leben solche Angst gehabt hatte. Der Anblick des Wachturms, die Geräusche, als sie hineinging … Ihre Papiere wurden geprüft, sie wurde fotografiert, und man erklärte ihr ihre Rechte, oder besser gesagt, die ihres Mannes. Meg durfte in drei Wochen wiederkommen, sie durfte ihn einmal die Woche zu einer bestimmten Zeit anrufen und zehn Minuten mit ihm sprechen. Zwar nahm Meg den Zettel mit der Telefonnummer entgegen, aber sie wusste, dass sie sie nie wählen würde.
Eine Vollzugsbeamtin untersuchte sie nach Schmuggelware, und Meg schloss die Augen und fluchte auf Rosa, bis sie ihren Slip wieder hochziehen konnte. Als sie in einen Bereich geführt wurde, wo zwei Aufseher miteinander redeten, hörte sie ein paarmal den Namen Dos Santos. Und obwohl sie nicht verstand, was sie sagten, bekam Meg mit, dass sie obszöne Bemerkungen machten.
Ja, vielleicht musste sie lernen, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Aber eins wusste sie, während sie dort stand und auf Niklas wartete: Mit ihm war sie noch lange nicht im Reinen!
8. KAPITEL
Die Klappe an der Tür ging auf, und das Mittagessen wurde ausgegeben. Niklas aß Bohnen und Reis. Das Essen war lauwarm und schmeckte fade, aber er hatte Hunger und leerte schweigend seinen Teller.
Sein Zellengenosse tat dasselbe.
Niklas ließ sich von dem ständigen Lärm und den Schreien der anderen Insassen nicht provozieren. Er beklagte sich nicht über das fade Essen und den Schmutz. Seit er hier eingeliefert worden war, hatte er geschwiegen und sich dem System angepasst, obwohl einige Aufseher versucht hatten, ihn aufzustacheln.
Bei seiner Ankunft im Gefängnis hatten sie ihm erzählt, was für einen Zellengenossen sie für ihn hatten, dass er damit rechnen konnte, zusammengeschlagen zu werden. Sie hatten dem Reichen erzählt, wie schlimm es für einen wie ihn hier drin war, während er seinen Anzug, die Schuhe, die Armbanduhr und den Ring abgelegt hatte. Dann hatten sie ihn untersucht und mit einem Schlauch abgespritzt.
Niklas hatte nichts gesagt.
Er war früher schon oft schlecht behandelt worden.
Sie hatten ihm den Kopf geschoren, aber es war ihm egal, wie er aussah. Die Häftlingskleidung aus grobem Denim trug er, ohne groß darüber nachzudenken. Er hatte schon gröberen Stoff getragen und war schon schmutziger und hungriger gewesen.
Niklas war mit allen Wassern gewaschen. Er war in der übelsten Gegend aufgewachsen und hatte es überlebt. Er war aus dem Nichts gekommen, und, wie er es immer befürchtet hatte, ins Nichts zurückgekehrt. Diese anonyme, brutale Welt war eine, in die er gehörte, und diejenige, die er wirklich verdient hatte. Vielleicht war das hier das richtige Umfeld für ihn. Zehntausend Meter über der Erde Champagner zu trinken und Kaviar zu essen, daran zu denken, ein Haus in den Bergen zu kaufen und für eine Familie zu sorgen, das passte nicht zu ihm. Er war ein Narr gewesen, es zu erwägen.
Sein Vermögen eingefroren, Freunde und Geschäftspartner voller Misstrauen … Niklas war vorübergehend fast erleichtert gewesen, als er in Handschellen wieder in der harten Welt seiner Kindheit und Jugend gelandet war. Er hatte immer gewusst, dass sie ihn eines Tages zurückfordern würde. Er war zurückgekehrt in ein anderes System und fand sich scheinbar mühelos darin zurecht.
Aber die Erleichterung war bald verschwunden, und er hatte begonnen, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Manchmal war ihm, als würde ihm der Kopf platzen. Manchmal war er so aufgeputscht, dass er sicher war, er könnte mit bloßen Händen die Gitterstäbe aus dem Zellenfenster reißen. Wie er es sich vor langer Zeit beigebracht hatte, schaltete Niklas solche Gedanken einfach ab.
Niemals zeigte er seine Wut.
Sein Zellengenosse war einer der meistgefürchteten Männer im Gefängnis. Er war der Chef hier und hatte drinnen und draußen Kontaktleute. Die Vollzugsbeamten hatten den Reichen, der die Geschäftswelt anführte, zu dem Mann in die Zelle gesteckt, der die Insassen anführte. Dann hatten die Aufseher auf das Schluchzen von Niklas Dos Santos gewartet.
Doch Niklas hatte dem Blick Fernandos standgehalten, als er in seiner Zelle untergebracht worden war. Er hatte Guten Abend gesagt, keine Antwort bekommen und von dem Moment an geschwiegen. Er hatte seinen Zellengenossen ignoriert – wie es Fernando recht war, wie es ihm recht war –, und im Lauf der Monate hatte sich die Spannung gelöst. Zwischen den beiden Männern
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