Julia Extra Band 374
nicht an, weil ihre Eltern darauf bestanden hatten – schließlich redeten sie kaum noch miteinander –, sondern weil sie ihre Mutter und ihren Vater liebte und sich an diesem Abend nach der Normalität zu Hause sehnte.
„Wie ist Brasilien?“ Ihre Mutter klang kurz angebunden, aber zumindest sprach sie mit ihr.
„Der erste Eindruck ist großartig“, sagte Meg. „Viel habe ich ja noch nicht gesehen.“
„Hast du Ausflüge gebucht?“
„Noch nicht.“ Sie schwieg einen Moment. Sie konnte Lügen nicht leiden, doch nun musste sie ständig lügen. Morgen würde sie ihre Eltern noch einmal anrufen und sagen, sie habe ihre Meinung geändert und werde den Rest ihres Urlaubs auf Hawaii verbringen. Wie würden sie darauf reagieren?
Meg wollte nur den nächsten Tag hinter sich bringen, sodass sie an einem Strand liegen und hoffentlich ein für alle Mal über Niklas hinwegkommen konnte. Aus Angst, dass ein Zollbeamter vielleicht Fragen stellte, hatte sie ihren Scheidungsantrag nicht mit eingepackt. Aber sobald sie zurück in Sydney war, würde sie ihn in den Briefkasten werfen. Ihr Herz verkraftete Niklas nicht mehr.
„Wie geht es Dad?“
„Er macht sich Sorgen“, erwiderte ihre Mutter.
Meg verlor den Mut. Sie hasste es, dass sich ihre Eltern Sorgen um sie machten.
„Es wird eine Stange Geld kosten, einen neuen Anwalt einzustellen.“
Ihre Mutter wollte sie nicht kränken, das wusste Meg. Aber unabsichtlich hatte sie es gerade getan. Für ihre Eltern war das Geschäft immer das Wichtigste. „Ich habe doch gesagt, dass ich zurückkomme und noch zwei Monate arbeite. Ihr müsst nichts überstürzen. Und ihr braucht keinen Vollzeitanwalt, ihr könnt Arbeit außer Haus geben. Wir besprechen das alles richtig, wenn ich zurück bin.“
„Du kommst also zurück?“
Meg lächelte, weil es vielleicht nicht nur ums Geschäft ging. So schwierig ihre Eltern manchmal auch waren, sie liebten ihre Tochter und wollten das Beste für sie, so viel wusste sie. „Natürlich. Ich nehme mir nur eine Auszeit, um mir über einiges Klarheit zu verschaffen. Ehe du dich versiehst, bin ich zu Hause.“
Zu schlafen war unmöglich. Meg fürchtete sich vor dem nächsten Tag, davor, Niklas wiederzusehen. Sie durfte nicht daran denken, schon gar nicht daran, mit ihm zu schlafen. Überhaupt an ihn zu denken zehrte sie seelisch aus.
Falls sie in der Nacht irgendwann eingeschlafen war, dann nur für kurze Zeit, und sie war lange vor dem Weckruf auf. Sie bestellte Frühstück, brachte aber nicht mehr als ein kleines Stück Toast hinunter. Für den starken Kaffee war sie dagegen dankbar.
Sie bezweifelte, dass sie all dies hätte tun können, wenn sie Niklas nicht geliebt hätte.
Wenn sie ihn nicht geliebt hätte, dann hätte sie ihn aber auch nicht geheiratet und wäre jetzt nicht in dieser Lage.
Meg erinnerte sich an seine gemeinen Worte an jenem Morgen vor langer Zeit und wusste, dass Liebe hierbei nichts zu suchen hatte.
Sie gab es auf, zu frühstücken, und nahm ein Bad. Als sie sich hinterher mit Körperöl einrieb, wusste sie nicht, ob sie es für Niklas tat oder für ihren Stolz. Sie zog schlichte Baumwollwäsche an und ein olivgrünes Kleid, dazu flache Ledersandalen. Ihre Hände zitterten zu stark, um sich zu schminken, also ließ sie es sein.
Rosa hatte ihr den Namen eines guten Chauffeurdienstes genannt, den sie anstatt eines Taxis nehmen sollte. Jemand von der Rezeption rief an und teilte ihr mit, dass der Fahrer da war. Bevor Meg aus dem Zimmer ging, blickte sie sich noch einmal um und fragte sich, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie wiederkam. Morgen um diese Zeit würde sie in einem Flugzeug nach Hawaii sitzen. Morgen um diese Zeit war es erledigt. Denn ganz gleich, was Rosa gesagt hatte, Meg war fest entschlossen, nicht zurückzukehren. Einmal war genug.
Zweimal würde sie vielleicht umbringen.
Auf dem Weg zum Gefängnis durchquerte sie verschiedene Stadtteile und fuhr auch am Gerichtshof vorbei, wo Niklas in zwei Wochen erscheinen würde. Bei Tageslicht sah Meg mehr von dieser fantastischen Stadt. Es gab Schönheit und Reichtum, aber auch große Armut. Meg dachte daran, dass Niklas nichts gehabt und so viel aus sich gemacht hatte, nur um alles wieder zu verlieren. Sie wusste zu wenig über den Fall, als dass sie an seine Unschuld glauben könnte. Sie mochte verliebt gewesen sein, aber blind vor Liebe war sie nicht. Trotzdem, Niklas hatte einen fairen Prozess verdient.
Als sich ihr Wagen dem Gefängnis
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