Julia Extra Band 374
herrschte jetzt ein freundschaftliches Schweigen. Jeder respektierte die Privatsphäre des anderen.
Niklas war mit Essen fertig. Bald würde er trainieren. Er hatte sich einen geregelten Tagesablauf verordnet, um nicht verrückt zu werden. Denn obwohl er sich in das System einfügte, lehnte er sich innerlich immer mehr gegen die Gefängnisvorschriften auf. Aber die Wut, die sich schon lange in ihm aufgebaut hatte, durfte nicht zum Ausbruch kommen. Weil er nicht bis zur Anhörung vor der Hauptverhandlung in Einzelhaft wollte.
Er lag auf seinem Bett und versuchte, sich keine zu großen Hoffnungen zu machen, dass er in vierzehn Tagen gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Miguel hatte gesagt, er halte es für unwahrscheinlich. Es seien zu viele Prominente betroffen, die ihn nicht in Freiheit sehen wollten.
„Niemand ist betroffen“, hatte Niklas bei ihrem letzten Treffen betont. „Weil ich nichts getan habe. Das sollen Sie beweisen.“
„Und das werden wir“, versprach Miguel.
„Wo ist Rosa?“ Niklas hatte darum gebeten, bei diesem Besuch mit Rosa zu sprechen. Er mochte es, dass sie Klartext redete, hätte gern ihre Meinung über die ganze Sache gehört. Doch wieder war es Miguel, der sich mit ihm getroffen hatte.
„Sie …“ Der Anwalt sah verlegen aus. „Sie möchte Sie gern besuchen. Ich habe sie gebeten, zu Ihnen zu fahren, aber …“
„Aber was?“
„Silvio“, hatte Miguel gesagt. „Er will nicht, dass sie mit Ihnen hier drin zusammen ist.“
Und Niklas konnte das verstehen. Er und Rosa hatten einmal für ein paar Wochen eine Beziehung gehabt, kurz bevor sie Silvio kennengelernt hatte. Obwohl jetzt nichts mehr zwischen ihnen war, hatte ihr Ehemann noch immer Probleme damit, dass sie für ihn tätig war. Wenn Silvio nicht wollte, dass Rosa ihn hier besuchte, musste Niklas ihm recht geben.
Nichts würde passieren, aber er sehnte sich nicht nur nach Rosas scharfem Verstand. Das Gefängnis war durchdrungen vom Testosteron eingesperrter, wütender Männer, und Rosa hätte Verständnis dafür, wenn sein Blick über sie gleiten würde.
Er versuchte, nicht an Meg zu denken, nicht an diesem Ort. Natürlich war es unmöglich … Energisch lenkte er seine Gedanken wieder auf die Anhörung vor der Hauptverhandlung. Dass Miguel nicht vorankam, frustrierte Niklas immer mehr. Alles frustrierte ihn so sehr, dass er kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren.
Deshalb stieg er aus seinem Etagenbett und begann, Liegestütze zu machen. Er würde einfach trainieren, bis sein Körper schmerzte. Aber es half nicht, seine Wut nahm weiter zu. Er wollte hier raus. Nicht nur, um in Freiheit zu sein, sondern auch, weil er draußen alles selbst in die Hand nehmen konnte. Hier drin konnte er, abgesehen von seinen täglichen Fitnessübungen, über nichts bestimmen.
Als ein Vollzugsbeamter an die Tür kam, ignorierte Niklas das höhnische Lachen und machte weiter Liegestütze.
„Dos Santos, du Glücklicher.“
Er geriet nicht aus dem Takt.
„Du hast eine schöne Ehefrau.“
Für einen Moment hörte Niklas auf, dann machte er weiter. Niemand wusste von Meg. Der Aufseher wollte ihn reizen, ihn durcheinanderbringen, und Niklas reagierte einfach nicht.
„Sie ist hier und wartet auf dich.“
Die Klappe ging auf, und ihm wurde befohlen aufzustehen. Jetzt hatte er keine andere Wahl. Also stand er auf. Fernando und er blickten sich an, was selten passierte. Etwas Neues im täglichen Trott war für sie beide bemerkenswert.
Niklas steckte die Hände durch die Öffnung, und ihm wurden Handschellen angelegt. Er zog die Hände zurück, als die Zellentür aufgeschlossen wurde. Sie gingen durch den Flur und eine Treppe hinunter. Der Vollzugsbeamte schubste ihn zweimal, aber Niklas reagierte nicht und lief schweigend weiter, während er versuchte, aus der Sache schlau zu werden.
Nicht, dass er irgendeine Gefühlsregung zeigte. Sobald man Schwäche zeigte, hatte man verloren, das hatte er bereits mit acht Jahren gelernt.
Er war damals durch das neue Waisenhaus gegangen, in das man ihn geschickt hatte. Sein drittes, und bei Weitem das schlimmste. Seine neuen Eltern warteten auf ihn, war ihm gesagt worden. Eine schöne Familie bekomme er, erzählte ihm der Betreuer. Sie seien reich, gut angezogen und hätten bis auf Kinder alles, was man sich nur wünschen konnte. Mehr als alles andere wollten sie einen Sohn haben, und sie hätten Niklas gewählt.
Sein Herz schlug höher. Er hasste das Waisenhaus, ein
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