Julia Extra Band 375
stimmt das nicht“, fügte er hinzu und drückte dabei ihre Hand, die er gar nicht wieder loslassen wollte. „Ich möchte dir einfach für dein Verständnis letzte Nacht danken.“
Es war ein gutes Gefühl, nicht mehr als das sagen zu müssen. Der sanfte Blick ihrer dunklen Augen versicherte ihm, dass keine weiteren Erklärungen nötig waren. Wenigstens im Moment nicht.
„Ich fand es schrecklich, dich so verstört zu sehen. Von was für Dingen du auch geträumt hast, Drake – ich wollte dir nur helfen, sie schnell wieder zu vergessen.“
„Und das ist dir auch gelungen“, versicherte er ihr und ließ endlich ihre Hand los, um den Kaffee aufzubrühen.
„Drake …?“
„Ja?“
„Als wir uns in der Nacht noch einmal geliebt haben, hast du kein Kondom benutzt.“
„Genau darüber habe ich nachgedacht, als du eben hereingekommen bist.“ Er rieb sich mit der Hand das Kinn, die Sorgenfalten auf seiner Stirn vertieften sich. „Normalerweise bin ich in diesem Punkt vorsichtiger, aber im Sturm der Ereignisse muss mir wohl mein gesunder Menschenverstand abhandengekommen sein.“
Als wollte er diesen Umstand unbewusst erklären, musterte er sie mit einer hilflosen Geste von Kopf bis Fuß. „Ich konnte jedenfalls nicht mehr klar denken, so viel ist sicher. Aber das ist natürlich keine Entschuldigung für mein verantwortungsloses Verhalten.“
„An dem, was geschehen ist, warst nicht nur du beteiligt“, erinnerte Layla ihn. „Du warst nicht der Einzige, der nicht mehr klar denken konnte. Sobald wir gefrühstückt haben, gehe ich los und besorge mir die Pille danach .“
Drake wusste nicht, warum ihn bei ihren Worten ein so unangenehmes Gefühl übermannte. Hätte er es benennen müssen, hätte er es vermutlich als eine Art inneren Protest beschrieben. Als ob etwas bedroht wäre, von dem er nicht einmal gewusst hatte, wie wertvoll es für ihn war.
„Wie auch immer“, meinte Layla. „Erst einmal frühstücken wir. Kennst du eine Apotheke in der Nähe?“
Drake presste die Lippen zusammen. „Ja, keine Sorge“, bestätigte er unwillig. „Ich werde dich dorthin begleiten.“
„Danke.“ Layla senkte den Blick und schlang beschützend die Arme um sich, als würde sie etwas beunruhigen. Dann ging sie zum Tisch und setzte sich.
Drake fand, dass sie plötzlich sehr traurig aussah, aber er hatte nicht den Mut, sie zu fragen, warum.
Es war ein überraschend schöner Tag und sie beschlossen, eine Kunstausstellung zu besuchen, in der gerade die Werke eines von Drake wie Layla gleichermaßen geschätzten Künstlers gezeigt wurden.
Als sie jedoch die erhaben wirkenden Räume mit ihren hohen Decken und holzgetäfelten Böden durchschritten, kam es Layla vor, als würde die Tablettenschachtel, die sie sich inzwischen besorgt hatte, langsam aber sicher ein Loch in ihre Manteltasche brennen.
Es war der reine Wahnsinn, dass sie das Mittel noch nicht genommen hatte. Einfach unerklärlich, wenn … ja, wenn sie nicht ganz tief in ihrem Innern den Grund dafür gekannt hätte. Seit letzter Nacht spürte Layla eine leidenschaftliche, romantische Sehnsucht in ihrem Herzen, die sich jeder Kontrolle entzog. Und während sie nun Hand in Hand mit Drake durch die Galerie schlenderte, wurde dieses Gefühl immer stärker.
Wie mochte es wohl sein, mit diesem faszinierenden, rätselhaften Mann ein Kind zu haben? Würde er seinen Sohn oder seine Tochter ebenso vergöttern, wie sie es zweifellos täte? Es gab so vieles, was sie nicht über ihn wusste. So viele Tabuzonen, denen sie sich nicht nähern durfte. Der Albtraum, den Drake gehabt hatte, rührte vermutlich aus verstörenden Erinnerungen an seine Kindheit. Was für Erinnerungen waren das? Gestern hatte er ihr erzählt, dass es in seinem Elternhaus keine Freude, sondern nur Leid gegeben hatte. Wenn sie ihn dazu bringen könnte, ihr etwas von den Erfahrungen anzuvertrauen, die ihn noch immer verfolgten, hätten sie sicher nicht mehr so viel Macht über ihn.
Ein beeindruckendes Selbstporträt des Malers fing Laylas Aufmerksamkeit ein. In seinen unergründlichen blauen Augen spiegelten sich so viel Schmerz, Reue und unerfüllte Sehnsucht, dass ihr unwillkürlich ein mitfühlender Seufzer entfuhr.
Drakes Kopf schnellte augenblicklich zu ihr herum. „Was ist los?“, erkundigte er sich besorgt.
„Er sieht aus wie eine gequälte Seele, der arme Kerl.“
„Soweit man weiß, war er das auch“, bestätigte Drake. „Wie van Gogh litt er unter Depressionen und beging
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